Boris Groys: Über das Neue (1992) [Teil II]

Nachdem in der letzten Woche ein Textauszug aus dem Einführungskapitel von Boris Groys Werk „Über das Neue“ zusammengefasst wurde, folgt in dieser Woche eine Zusammenfassung von zwei weiteren Textauszügen aus demselben Werk.

Der erste Textauszug stammt aus dem Kapitel „Die Wertgrenze zwischen kulturellem Archiv und profanem Raum“. In diesem Textauszug schreibt Groys, dass jede Kultur einen hierarchischen Aufbau zugrunde liegt. Dies bedeutet, dass alle Bestandteile einer Kultur einen Wert haben, „der durch die Stellung in der kulturellen Werthierarchie bestimmt wird“. Die Hierarchie einer Kultur wird von einem „strukturierten kulturellen Gedächtnis“ gebildet. Beispiele für das heutige „strukturierte kulturelle Gedächtnis“ sind laut dem Philosophen zum Beispiel Archive, Museen oder Bibliotheken. Bei diesen Beispielen handelt es sich um Institutionen, die hierarchisch organisiert sind und das „materialisierte kulturelle Gedächtnis“ beschützen sollen. Des Weiteren gehört es zu den Aufgaben der unterschiedlichen Institutionen irrelevante und veraltete Kulturmuster als solche zu identifizieren und zu entfernen sowie neue relevante Kulturen auszuwählen (Vgl. S. 378).

Eine kulturelle Tradition verfügt über kein einheitliches „Erhaltungssystem“ oder „Auswahlprinzip“. Jede kulturelle Tradition besitzt individuelle „Erhaltungssysteme“ und „Auswahlprinzipien“. Des Weiteren stellt eine Kultur kein homogenes Gebilde dar, da sie sich aus unterschiedlichen Subkulturen zusammensetzt. Jede Subkultur hat wiederum eigene „Auswahlprinzipien“ und „Erhaltungssysteme“. Hier zeigt sich, dass jede kulturelle Hierarchie in einer Beziehung zu etwas steht und keine Unabhängigkeit genießt (Vgl. S. 378f.).

Nach der Auffassung des Philosophen findet aktuell eine „Formalisierung“ und Verallgemeinerung der kulturellen Archive statt. Die Institutionen, die kulturelle Informationen aufbewahren, vereinen sich zu einem Einheitssystem, welches von den „konkreten nationalen Kulturen“ abrückt. Das Einheitssystem präsentiert nur das, was von ihm als „kulturell wertvoll und bewahrenswert“ eingeschätzt wird (Vgl. S. 379).

Das kulturelle Archiv identifiziert Neues als etwas, dass sich von bereits Bekannten unterscheidet. Des Weiteren spricht es Neuem die gleiche Bedeutung zu, wie den bereits im kulturellen Gedächtnis etablierten Dingen. Während ein kulturelles Archiv das Neue aufbewahrt, schenkt es den Reproduktionen keine Aufmerksamkeit, da diese als überflüssig wahrgenommen werden (Vgl. S. 379).

Unter einem profanen Raum versteht Groys einen heterogenen abgegrenzten Raum, der alle Dinge umfasst, die nicht von Archiven erfasst werden. Alle Dinge die sich im profanen Raum befinden werden als unbedeutend und nicht erhaltenswert eingestuft. Aus diesem Grund werden sie nicht aufbewahrt und verschwinden irgendwann. Obwohl der profane Raum nur aus Uninteressantem, Irrelevanten und Wertlosem besteht, stellt er trotzdem ein Sammelbecken für mögliche „neue kulturelle Werte“ dar. Dies liegt daran, dass er etwas Anderes als die vom kulturellen Archiv aufbewahrten und als bedeutend eingestuften Dinge darstellt. Neues entsteht laut dem Philosophen erst durch einen „valorisierenden Vergleich zwischen den kulturellen Werten und den Dingen im profanen Raum“. Der profane Raum entsteht dadurch, dass der „valorisierende Vergleich“ gar nicht oder nur sehr selten gezogen wird (Vgl. S. 379).

Die beiden Begriffe des „profanen Raums“ und des „kulturellen Archivs“ ergänzen sich gegenseitig und sind „aufeinander bezogen“. Häufig wird unter der Einführung von etwas Neuem ein Handel zwischen mindestens zwei unterschiedlichen Wertehierarchien verstanden, welche „füreinander profane Räume bilden“ (Vgl. S. 380).

Der zweite Textauszug stammt aus dem Kapitel „Innovation als Umwertung der Werte“. Hier führt Groys die These auf, dass eine Innovation aus historischer Perspektive zunächst einmal als „eine Abwertung der Werte“ aufgefasst wird, bevor sie sich etabliert. Um seine These zu belegen führt der Philosoph das Beispiel der verhöhnenden Profanierung der Mona Lisa durch den französischen Maler Marcel Duchamp auf. In der Profanierung der Mona Lisa, der von Marcel Duchamp ein Schnauz- und Spitzbart hinzugefügt wurde, sahen die Menschen den Beginn einer alltäglichen und „wertlosen Nicht-Kunst“ sowie das „Ende der wertvollen Kunst“. Ein „Umwertung der Werte“ wird nicht direkt in ihren unterschiedlichen Facetten wahrgenommen. Erst nach zeitlichen Abständen werden jeweils andere Aspekte der umgewerteten Werte erkannt (Vgl. S. 380).

Die Einführung von etwas Neuem geht zum einen mit einer „Aufwertung des Profanen“ und zum anderen mit einer Abwertung bereits „bestehender kultureller Werte“ einher. Eine Innovation ist die Inkarnation der ökonomischen Logik, die darauf ausgerichtet ist kulturelle Kriterien zu erfüllen. Etwas Neues wird erst dann im Archiv aufbewahrt, wenn es die ökonomische Logik konsequent umsetzt. Ist eine Innovation nicht dazu in der Lage „die Logik der Kultur fortzusetzen“, findet sie auch keinen Einzug ins Archiv. Auch wenn das Neue darauf ausgerichtet ist kulturelle Werte abzuwerten, werden diese nicht verändert (Vgl. S. 380f.).

Am Beispiel der von Duchamps verunstalteten Mona Lisa erklärt Groys, dass die von Duchamps geschaffene Innovation nicht zu einer Abwertung der kulturellen Werte des Originalbilds geführt habe. Leonardo da Vincis Gemälde genießt immer noch dieselbe Aufmerksamkeit und Bewunderung wie zuvor. Aufgewertet wird nur Duchamps verunstaltete Nachahmung der Mona Lisa. In einem Archiv wird nur das aufbewahrt, was von der Einführung des Neuem aufgewertet wird. Das Aufgewertete ist nicht nur für Duchamps von Bedeutung, sondern für das gesamte kulturelle Gedächtnis (Vgl. S. 381).

Das kulturelle Gedächtnis ist eine Ansammlung von „individuellen Innovationen“. Die „individuellen Innovationen“ sind von einem „exemplarischen Charakter“ geprägt. Jede Innovation verschafft dem kulturellen Gedächtnis und den Institutionen, die es aufbewahrt und schützt, Stabilität und Wachstum. Für die Kultur ist nur der Wert von etwas neu Eingeführtem von Bedeutung, nicht aber der Sinn des Neuen (Vgl. S. 381f.).

Unter dem Profanen wird oftmals die Wirklichkeit verstanden. Der profane Raum baut einen so starken Druck auf die „privilegierte Kultur“ aus, dass diese den profanen Raum in sich aufnimmt. Durch die Aufnahme des profanen Raums dringt die Wirklichkeit in die Kultur ein und nimmt Modifikationen an ihr vor (Vgl. S. 382).

Druck von außen kann dem kulturellen Gedächtnis nichts anhaben so lange der „kulturelle Mechanismus“ nicht außer Kraft gesetzt wird. Profanes erfährt nur dann eine Aufwertung, wenn es „ins kulturelle Gedächtnis nach dessen eigenen Regeln eingegliedert werden kann“. Vorrausetzung für eine Archivierung ist die Erfüllung bestimmter Forderungen der „kulturökonomischen Logik“. Abschließend hält Groys fest, dass eine Innovation dann zustande kommt, wenn sie die Wertgrenze, die den profanen Raum von dem kulturellen Gedächtnis trennt, erfolgreich überschreitet (Vgl. S. 382f.).

Literatur: Auszug aus Boris Groys, Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie, Frankfurt/M.: Fischer 2004, S. 9-12, 55f. u. 63-65; Erstausgabe des Buches München: Hanser 1992.

Boris Groys: Über das Neue (1992) [Teil I]

Im nachfolgenden Text werden Textauszüge aus Boris Groys Werk „Über das Neue“ zusammengefasst.

Der erste Textauszug wurde dem Einführungskapitel des Werkes entnommen. Hier schreibt der in Deutschland geborene Philosoph, dass in der „Postmoderne“ das Neue als „unzeitgemäß“ wahrgenommen wird. In der heutigen Zeit, die für Groys die postmoderne Zeit darstellt, wird „das Streben nach dem Neuen“ häufig mit einer Fiktion in Verbindung gebracht. Laut seiner Auffassung haben die meisten Menschen den Glauben daran verloren, dass es einen „neuen historischen Anfang“ geben könnte, der dazu führt, dass sich die „Existenzbedingungen“ der Menschen in der Zukunft radikal verändern. Nach dieser Vorstellung bringt die Zukunft nichts Neues, sondern eine nicht endende Modifikation des bereits Bekannten mit sich. Die andauernde Nachbildung „der Vergangenheit und Gegenwart“ kann sowohl Depressionen hervorrufen als auch befreiend sein. Niedergeschlagenheit kann dadurch ausgelöst werden, dass der Reproduktionsprozess endlos ist und nicht gestoppt werden kann. Die Kunst hingegen muss nicht nach der Entdeckung von etwas Neuem streben, was sich befreiend auswirken kann (Vgl. S. 370).

Es gilt zu beachten, dass der Begriff der Postmoderne nicht eindeutig definiert ist. Laut Groys Auffassung zweifelt die Postmoderne daran, dass es etwas „geschichtlich Neues“ geben kann. Die Moderne zeichnet sich dadurch aus, dass sie Altes überwindet, wohingegen die Postmoderne die Überwindung der Moderne ausschließt (Vgl. S. 370 [Fußnote]).

Im weiteren Verlauf seines Textes betont Groys, dass „die Ausrufung einer neuen postmodernen Epoche“ einen Widerspruch zur eigentlichen Bedeutung des Begriffs der Postmoderne darstellen würde. Eine postmoderne Epoche hat es in der Geschichte zuvor noch nie gegeben. Es handelt sich also um etwas Neues und nicht um die Reproduktion von etwas, was schon zuvor dagewesen ist (Vgl. S. 371).

Obwohl die Postmoderne daran glaubt, dass es nie wieder etwas Neues geben wird, erkennt Groys in ihr „modernistisches Denken“.  Das Verständnis, dass das was bereits gewesen ist ständig reproduziert wird, beinhaltet auch die ständige Reproduktion des „individuellen Strebens nach dem Neuen“, da dies auch Bestandteil des bereits Gewesenen ist. Aus diesem Grund kann der „modernistische Utopismus“ auch von der Fiktion, von jetzt an für immer auf Neues zu verzichten, nicht überwunden werden (Vgl. S. 372).

In der Neuzeit kam der Glaube auf, dass es „etwas endgültig Neues“ geben würde, dem nichts mehr Neues nachfolgen könne und das uneingeschränkt über die Zukunft herrschen würde. An verschiedenen Beispielen versucht Groys dies zu belegen. Beispielsweise schreibt er, dass „sich jede moderne Strömung“ der Kunst für die letztmöglichste künstlerische Ausdrucksweise hielt. In der modernen Vorstellung wird auf das „endgültig Neue“ gewartet, wohingegen es nach der postmodernen Vorstellung bereits da ist (Vgl. S. 372).

In der Moderne wird häufig zu etwas Neuen ausgerufen um den „Wandel der Zeit“ in bestimmte Bahnen zu lenken oder gar zu stoppen. Der „Wandel der Zeit“ soll als Fortschritt dargestellt werden. Die Künstler und Literaten der Moderne stehen jedoch unter einem „außerideologischen Innovationszwang“. Sollten ihre Werke früher im Sinne der Tradition sein und deren Kriterien erfüllen, verlangt die Moderne, dass sie mit ihren Werken Neues schaffen. Die Produktion des Neuen findet nicht statt, weil es der freie Wille der Menschen ist, sondern weil sie von der „Kultur der Neuzeit“ gefordert wird. Der Bruch mit dem Alten findet nur statt, um dafür Sorge zu tragen, dass die Kultur funktioniert (Vgl. S. 372f.).

Während das alte Kulturverständnis das Neue als das Wahre verherrlicht hat, stellt das Neue in der Moderne nicht länger eine Offenbarung des Wahren dar. Dem alten Kulturverständnis zufolge muss Kunst die Welt wirklichkeitsgetreu beschreiben oder darstellen. Es wird vorausgesetzt, dass Menschen einen direkten Zugang zur Wirklichkeit haben. Wenn ein Mensch über keinen direkten Zugang zur Wirklichkeit verfügt, kann er nicht feststellen, ob „eine Übereinstimmung oder nicht Übereinstimmung mit der Wirklichkeit“ vorliegt oder nicht (Vgl. S. 373f.).

Um als berechtigtes und moralisches Kunstwerk zu gelten, muss jedes Kunstwerk, das „nicht die sichtbare Welt abbildet“, eine nach innen versteckte „wahre Realität abbilden“. Alle anderen Kunstwerke gelten als moralisch verwerflich und unberechtigt, da sie sonst nur Resultat eines „bloßen Strebens nach dem Neuen um des Neuen Willen“ sind (Vgl. S. 374f.).

Die Entstehung des Neuen kann in jedem einzelnen Fall damit erklärt werden, dass die Forderung nach Neuem kulturell verankert ist. Jeder Mensch muss sich dieser Forderung unterwerfen, da er sonst innerhalb der Kultur nicht die Anerkennung erfährt, die er anstrebt. Auch in der Postmoderne, in der sich sowohl von einem zielgerichteten Fortschritt als auch von einer „neuen Offenbarung des Verborgenen“ verabschiedet wurde, stellt „das Streben nach dem Neuen um des Neuen willen“ ein Gesetz dar. Oft wird das Streben nach dem Neuen jedoch als wertlos wahrgenommen, da das Neue „keine Wahrheit mit sich bringt“. Wenn die Menschen beim Alten bleiben würden, dann wird dadurch gegen die kulturelle Regel verstoßen, die besagt, dass ständig Neues hervorgebracht werden muss. Neues ist unvermeidbar und es gibt keine Möglichkeit gegen die kulturelle Regel zu verstoßen (Vgl. S. 375f).

Literatur: Auszug aus Boris Groys, Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie, Frankfurt/M.: Fischer 2004, S. 9-12, 55f. u. 63-65; Erstausgabe des Buches München: Hanser 1992.

Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede (1979)

Bevor im nachfolgenden Text Textauszüge aus Pierre Bourdieus Werk „Die feinen Unterschiede“ zusammengefasst werden, folgt zu Beginn eine kurze Zusammenfassung von Pierre Bourdieus Grundgedanken. Diese Grundgedanken wurden aus der Dokumentation „Pierre Bourdieu – Die feinen Unterschiede entnommen. Sie wurde vom Hessischen Rundfunk im Jahr 1981 ausgestrahlt.

Pierre Bourdieu hat sich die Frage gestellt, was der Geschmack zur Reproduktion sozialer Ungleichheit beiträgt und was soziale Präferenzen über den sozialen Stand, die soziale Stellung und die soziale Klasse aussagen.

Bildausstellungen repräsentieren laut dem französischen Soziologen immer einen Kunstgeschmack und einen Lebensstil. Die Besucher einer Kunstaustellung repräsentieren sich selbst. Sie repräsentieren ihren Geschmack, ihren Lebensstil und ihre Lebensart. Verständnislosigkeit gegenüber Bildern hat nichts mit Dummheit oder Unbegabtheit zu tun. Das Verständnis von Kunst das eine Person hat, hängt von ihrer Schulbildung ab, die wiederum von der sozialen Herkunft abhängt. Auch die Lebenseinstellung einer Person ist von ihrer sozialen Herkunft abhängig.

Laut Bourdieus gibt es einen Zusammenhang zwischen Lebensstil und gesellschaftlicher Position. Dieser Zusammenhang ist nicht mechanisch, d. h. wenn bekannt ist welche Position jemand in der Gesellschaft einnimmt, führt dies nicht automatisch dazu, dass auch ihr Geschmack erkannt wird. Als Verbindungsglied zwischen gesellschaftlicher Position und Lebensstil fungiert der „Habitus“. Der Habitus ist eine allgemeine Grundhaltung gegenüber der Welt. Wer den Habitus einer Person kennt, weiß intuitiv welches Verhalten dieser Person verwehrt ist. Jeder Mensch ist aufgrund seiner Schichtzugehörigkeit in seinem Denken eingeschränkt, zum Beispiel führen bestimmte Dinge bei einem Kleinbürger zu Entsetzen und sind für diesen nicht denkbar, wohingegen ein Angehöriger einer anderen Schicht diese als normal empfindet. Jedem Menschen sind in seinem Denken Grenzen gesetzt. Innerhalb dieser Grenzen kann er frei agieren, sie jedoch kaum übertreten. Soziale Grenzen werden von der Herkunft gesetzt.

Das Klassenmodell Bourdieu entspricht einem Achsenmodell. Unten befindet sich die Volksklasse (untere Klasse), in der Mitte die Mittelklasse und oben die Oberklasse. Auf der linken Achse befindet sich das kulturelle Kapital und auf der rechten Achse das ökonomische Kapital. Aufgrund dieser Unterteilung kann ein Mensch der nur wenig ökonomisches Kapital besitzt, aber sehr gebildet ist zur Oberklasse gehören. Der gesellschaftliche Raum ist von Kampf geprägt, da alle Menschen sozial aufsteigen wollen (Vgl. Pierre Bourdieu – Die feinen Unterschiede).

Nachdem Pierre Bourdieus Grundgedanken zusammengefasst wurden, folgt eine Zusammenfassung der Textauszüge aus Bourdieus Werk „Die feinen Unterschiede“.  In der Einleitung seines Werkes schreibt der französische Soziologe Pierre Bourdieu, dass „auch kulturelle Güter“ einer Wirtschaft unterliegen. Diese Wirtschaft verfügt über eine eigene Logik, nach der Kulturgüter ihre Konsumenten und deren Geschmäcker selbst produzieren. Soziologen versuchen die Bedingungen zu ergründen, die diesem Produktionsprozess zugrunde liegen. Des Weiteren möchten sie verstehen, zu welchen Zeiten und auf welche Arten sich Konsumenten ein bestimmtes Kulturgut angeeignet haben und herausfinden, welche gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Aneignung verantwortlich sind. Ob sich ein Mensch ein Kulturgut aneignet oder nicht, hängt eng mit seinem Bildungstand sowie seiner sozialen Herkunft zusammen. Dies bedeutet, dass die Aneignung von Kulturgütern kein „reines Naturerzeugnis“ ist, sondern von der „familialen und schulischen Erziehung“ abhängt, die wiederum von der eigenen sozialen Herkunft beeinflusst wird. Der Geschmack einer Person wird von der sozialen Klasse der sie angehört bedingt. Auch der Aneignungsprozess eines Kulturguts ist von der sozialen Herkunft eines Menschen abhängig. Jede soziale Klasse hat ihre eigenen Codes, an denen sie zu erkennen ist (Vgl. S. 304f.).

Im zweiten Textauszug, der mit der Überschrift die „Die Distanz zur Notwendigkeit“ versehen ist, stellt Bourdieu die These auf, dass Menschen mit einem hohen Bildungsgrad ein Werk „unabhängig von seinem Inhalt“ zu würdigen wissen. Einer zweiten These zufolge hängt die ästhetische Einstellung eines Menschen von seinem sozialen Stand ab. Darüber hinaus sind die „materiellen Existenzbedingungen“ eines Menschen dafür verantwortlich, wie er seine ästhetischen Einstellungen anwendet (Vgl. S. 305).

Laut dem französischen Soziologen neigt die ästhetische Einstellung dazu, „Natur wie Funktion des Dargestellten“ zu übergehen. Stattdessen rückt sie die Darstellungsweise und den Stil in den Vordergrund und „bewertet im Vergleich zu anderen Stilen“. Nur wenn wirtschaftliche Zwänge ausgeschlossen sind, können „Formen des Lernens von legitimer Kultur“ erlernt werden. Dabei spielt es keine Rolle ob der Lernort innerhalb der Familie oder Schule liegt (Vgl. S. 306).

Um zu belegen, dass Menschen keine angeborene Weltanschauung besitzen, sondern diese erst im Laufe eines Sozialisationsprozesses erworben wird, führt Bourdieu das Beispiel eines Kleinkindes auf, das die Welt als einen magischen Ort wahrnimmt an dem alles möglich ist (Vgl. S. 306).

Jeder Mensch ist aufgrund seiner Rolle und seines Denkens limitiert. Seine ästhetische Einstellung bildet sich zum einen durch „Welterfahrung“ und zum anderen durch „Tätigkeiten“ wie zum Beispiel das Betrachten eines Kunstwerkes. Die „ästhetische Einstellung“ wird von der Erziehung in der Schule und innerhalb der Familie beeinflusst (Vgl. S. 307).

Laut Bourdieu suchen Frauen und Jugendliche, die vom Wirtschaftsleben ausgeschlossen sind, Zuflucht in der Ästhetik. Die wirtschaftliche Macht ist darauf ausgerichtet, dem ökonomischen Zwang und der Not gegenüber Distanz zu verschaffen. Die Schicht des Bürgertums ist von Gegensätzen geprägt, wie zum Beispiel der „Arbeits- und Wohnstätte“ (Vgl. S. 307f.).

Mit Hilfe ihres Lebensstils wollen sich Menschen nicht nur von den Lebensstilen anderer Menschen abgrenzen, sondern auch ihre eigene Überlegenheit ausdrücken. Genauso wie die einzelnen Individuen versuchen sich auch die einzelnen Schichten voneinander abzugrenzen (Vgl. S. 308).

In seinem Kapitel „Der ästhetische Sinn als Sinn für die Distinktion“ schreibt Bourdieu, dass die ästhetische Einstellung Menschen sowohl trennen als auch verbinden kann. Menschen mit gleichen ästhetischen Einstellungen werden zu einer Einheit verbunden, wohingegen die Differenzen von Menschen mit unterschiedlichen ästhetischen Einstellungen weiter zunehmen. Um den eigenen Geschmack zu rechtfertigen wird der Geschmack anderer bewusst abgelehnt. Diese Ablehnung kann gewalttätige Auseinandersetzungen zur Konsequenz haben. Aus der Ablehnung anderer Lebensstile entstehen zwischen den einzelnen Klassen unüberwindbare Grenzen. Viele Menschen halten ihren Geschmack für den einzig legitimen Geschmack und lehnen Verbindungen unterschiedlicher Geschmacksrichtungen, die ihrer Meinung nach nicht miteinander vereinbar sind, ab. In „Auseinandersetzungen um Kunst“, geht es den Menschen immer darum, ihren jeweiligen Lebensstil durchzusetzen. Jeder Künstler lässt in seinen Kunstwerken seinen Lebensstil einfließen (Vgl. S. 310f.).

Laut dem französischen Soziologen werden „ästhetische Positionen“ unter anderem durch Kleidung ausgedrückt. Sie wird dazu benutzt den eignen Status zu repräsentieren und sich von anderen zu unterscheiden. Nur Künstler und „die höchsten Kreise der Bourgeoisie“ sind nach Bourdieus Meinung dazu befähigt, „ihre Lebensform zu einer Kunstform zu erheben“ (Vgl. 212).

Alle Schichten die in der gesellschaftlichen Rangordnung oberhalb der Unterschicht angesiedelt sind, wollen sich von dieser bewusst abgrenzen. Mit dem Aufkommen des „kleinbürgerlichen Ästhetizismus“ versuchten sich die Menschen durch Zurschaustellung ihres Lebensstils bewusst von den unteren Klassen zu distanzieren (Vgl. S. 313).

Während Bourdieu in den Auszügen zuvor von einer „legitimen Kunst“ geschrieben hat, ordnet er in seinem letzten Auszug die Photographie der „mittleren Kunst“ zu. Die Photographie machte die unteren Schichten zum Gegenstand von Mitleid und Entrüstung (Vgl. S. 313f.)

Verständnisfragen:

Was ist mit „Ernsthaftes ohne den Geist des Ernsthaften“ gemeint? (S. 308)

Was versteht Pierre Bourdieu unter „ungebunden Geschmack“? (S. 309)

Was meint er mit „der reinen und interessenlosen Einstellung“? (S. 309)

Literatur: Auszug aus Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1982, S. 17f., 100-108 u. 110f. [La distinction. Critique sociale du jugement, Paris: Les Édition de minuit 1979, S. I-II, 56-64]. Aus dem Französischen von Bernd Schwibs und Achim Russer.

Dokumentation: Pierre Bourdieu – Die feinen Unterschiede: https://www.youtube.com/watch?v=gQSYewA03BU (letzter Zugriff: 21.06.2016).

Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede (1979)

Im nachfolgenden Text werden Textauszüge aus Pierre Bourdieus Werk „Die feinen Unterschiede“ zusammengefasst.

In der Einleitung seines Werkes schreibt der französische Soziologe Pierre Bourdieu, dass „auch kulturelle Güter“ einer Wirtschaft unterliegen. Diese Wirtschaft verfügt über eine eigene Logik, nach der Kulturgüter ihre Konsumenten und deren Geschmäcker selbst produzieren. Soziologen versuchen die Bedingungen zu ergründen, die diesem Produktionsprozess zugrunde liegen. Des Weiteren möchten sie verstehen, zu welchen Zeiten und auf welche Arten sich Konsumenten ein bestimmtes Kulturgut angeeignet haben und herausfinden, welche gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Aneignung verantwortlich sind. Ob sich ein Mensch ein Kulturgut aneignet oder nicht, hängt eng mit seinem Bildungstand sowie seiner sozialen Herkunft zusammen. Dies bedeutet, dass die Aneignung von Kulturgütern keine „reines Naturerzeugnis“ ist, sondern von der „familialen und schulischen Erziehung“ abhängt, die wiederum von der eigenen sozialen Herkunft beeinflusst wird. Der Geschmack einer Person wird von der sozialen Klasse der sie angehört bedingt. Auch der Aneignungsprozess eines Kulturguts ist von der sozialen Herkunft eines Menschen abhängig (Vgl. S. 304f.).

Im zweiten Textauszug, der mit der Überschrift die „Die Distanz zur Notwendigkeit“ versehen ist, stellt Bourdieu die These auf, dass Menschen mit einem hohen Bildungsgrad ein Werk „unabhängig von seinem Inhalt“ zu würdigen wissen. Einer zweiten These zufolge hängt die ästhetische Einstellung eines Menschen von seinem sozialen Stand ab. Darüber hinaus sind die „materiellen Existenzbedingungen“ eines Menschen dafür verantwortlich, wie er seine ästhetischen Einstellungen anwendet (Vgl. S. 305).

Laut dem französischen Soziologen neigt die ästhetische Einstellung dazu, „Natur wie Funktion des Dargestellten“ zu übergehen. Stattdessen rückt sie die Darstellungsweise und den Stil in den Vordergrund und „bewertet im Vergleich zu anderen Stilen“. Nur wenn wirtschaftliche Zwänge ausgeschlossen sind, können „Formen des Lernens von legitimer Kultur“ erlernt werden. Dabei spielt es keine Rolle ob der Lernort innerhalb der Familie oder Schule ist (Vgl. S. 306).

Um zu belegen, dass Menschen keine angeborene Weltanschauung besitzen, sondern diese erst im Laufe eines Sozialisationsprozesses erworben werden, führt Bourdieu das Beispiel eines Kleinkindes auf, das die Welt als einen magischen Ort wahrnimmt an dem alles möglich ist (Vgl. S. 306).

Literatur: Auszug aus Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1982, S. 17f., 100-108 u. 110f. [La distinction. Critique sociale du jugement, Paris: Les Édition de minuit 1979, S. I-II, 56-64]. Aus dem Französischen von Bernd Schwibs und Achim Russer.

Dick Hebdige: Subculture – Die Bedeutung von Stil (1979)

Im nachfolgenden Text werden Textauszüge aus Dick Hebdiges Werk „Subculture – Die Bedeutung von Stil (1979)“ zusammengefasst.

Der erste Textauszug trägt die Überschrift „Stil als Bricolage“ und beginnt mit einer Einführung in den Begriff der „Subkultur“. Laut dem britischen Soziologen Dick Hebdige stammen die meisten Subkulturen aus dem Umfeld der Arbeiterklasse. Alle Subkulturen verbindet eine „auffällige Konsumhaltung“ sowie das strikte Ablehnen „bestimmter Konsumarten“. Jede Subkultur hat bestimmte „Konsumrituale“. Anhand dieser Rituale wird zum einen die verborgene „Identität“ der jeweiligen Subkultur sichtbar gemacht und zum anderen wird deren „verbotene Bedeutung“ herausgestellt. Von strengen und unnachgiebigen „Kulturformen“ unterscheiden sich Subkulturen nach Hebdiges Meinung dadurch, nach welchen Mustern sie „Waren benutzen“ (Vgl. S. 317).

Um die Frage zu klären, wie die verschiedenen Stile der Subkulturen aufgebaut sind, greift Hebdige auf Erkenntnisse aus der Anthropologie zurück. Laut seiner Auffassung eignet sich besonders das vom französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss eingeführte Konzept der „Bricolage“ dazu, den Aufbau der Stile der Subkultur zu erklären. In seinem Werk „Das wilde Denken“ schreibt Lévi-Strauss, dass die von „nicht zivilisierten“ Völkern angewandten „magischen Formen“, zu denen zum Beispiel „Aberglaube“ oder „Hexerei“ zählen, als geheime Systeme betrachtet werden können. Für Außenstehende ist das System der „magischen Formen“ unverständlich, während es die Benutzer dazu befähigt Dinge miteinander in Bezug zu setzen und deren Zusammenhänge zu verstehen. Das System lässt sich beliebig erweitern, da die verschiedenen Elemente aus denen es besteht, auf unterschiedlichste Art miteinander kombiniert werden können. Eine Erweiterung des Systems, kann als Konsequenz mit einer veränderten Bedeutung einhergehen (Vgl. S. 317).

Das Konzept der „Bricolage“ wird auch „als Wissenschaft des Konkreten bezeichnet“. Als „Bricolage“ wird die Art bezeichnet, in der das ungebildete Denken „nicht zivilisierter“ Menschen auf die Umwelt die sie umgibt reagiert. In diesem Prozess wird ein System erstellt, in dem die kleinsten Teilchen „der physischen Welt“ geordnet, eingeteilt und zu Gefügen zusammengestellt werden. Die Antworten auf die Umwelt die infolge der Entstehung des Systems zustande kommen, sind zum einen spontan und zum anderen improvisiert. Um die Welt erklären zu können, versucht der Mensch in diesem Prozess Übereinstimmungen und Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen den Ordnungsweisen der Gesellschaft und der Natur herzustellen (Vgl. S. 317f.).

Wenn von dem Verständnis ausgegangen wird, dass ein Objekt und dessen Bedeutung zusammengenommen ein Zeichen bilden, das in jeder erdenklichen Kultur zu einer „charakteristischen Diskursform zusammengestellt wird“, dann handelt es sich beim Bricoleur um den Erzeuger neuer Diskurse. Der Bricoleur verändert die Position des bezeichneten Objekts innerhalb eines Diskurses oder bringt es in eine veränderte Zusammenstellung. Durch diese Veränderungen entstehen neue Diskurse, in denen andere Botschaften als im Ursprungsdiskurs vermittelt werden (Vgl. S. 318).

Als Beispiele für Bricolage nennt Hebdige die Subkulturen der „Teds“ und der „Mods“. Sowohl die „Teds“ als auch die „Mods“ nutzten das „Gebrauchsgut“ der Mode und setzten Kleidung entgegen ihrer ursprünglich festgelegten Bedeutung ein. Beispielsweise versuchten die „Mods“, die aus unteren Schichten stammten, mit Hilfe der Kleidung ihre eigene soziale Herkunft als unwichtig erscheinen zu lassen. Sie trugen bewusst nicht die Kleidung der eigenen Schicht, sondern die von höher gestellten sozialen Klassen. So trugen die Jugendlichen aus der Arbeiterschicht zum Beispiel Anzüge und Krawatten und sorgten dafür, dass die ursprüngliche Bedeutung dieser Objekte aufgelöst wurde. Ein weiteres Beispiel für die Veränderung der Bedeutung eines Objektes ist der Motorroller. Während der Motorroller ursprünglich ein wertgeschätztes Fortbewegungsmittel war, wurde er von den Widerstandsbewegungen durch Veränderungen an seinem Äußeren zu einem bedrohlichen Objekt verwandelt. Dadurch, dass Objekte zweckentfremdet und ihrer eigentlichen Bedeutung beraubt werden, wird laut dem britischen Soziologen eine Art Krieg entfesselt, selbst wenn dieser nicht bewusst, sondern im Unterbewusstsein herbeigeführt wird. Dieser Krieg wird auch als „Krieg des Surrealismus“ bezeichnet (Vgl. S. 318f.).

Im weiteren Verlauf des Textauszuges bezeichnet Hebdige die „ästhetischen Praktiken“ des Dadaismus und des Surrealismus als „klassische Formen anarchischer Diskurse“, obwohl sich die Begriffe „Diskurs“ und „anarchisch“ von ihrer Bedeutung her ursprünglich wiedersprechen. In der Kunst des Surrealismus soll das „Verbotene“ und „Abnormale“ verherrlicht und der gesunde Menschenverstand sowie Gegensätze und logisch erscheinende Kategorisierungen aufgelöst werden. Die Künstler des Surrealismus verfolgen das Ziel, „eine neue Surrealität“ entstehen zu lassen. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass mehrere Realitäten, die ursprünglich voneinander abgetrennt sind, miteinander in Verbindung gebracht werden. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn sich ein Teller und ein Schuh auf einem Schreibtisch wiederfinden lassen würden. Der Theorie des französischen Schriftstellers André Breton zufolge, müssen entfremdete Objekte einen neuen Namen erhalten, um sie von ihren ursprünglichen Zwecken loslösen zu können. Durch Entfremdung von Objekten werden bewusst Verwirrungen verursacht. Die neu bezeichneten Objekte entstammen zwar „den Objekten unserer Umgebung“, unterscheiden sich von diesen aber durch ihre Rollenveränderung (Vgl. S. 319f.).

Laut der Auffassung des deutschen Malers Max Ernst stellen sowohl der Bricoleur als auch der Macher surrealistischer Collagen zwei miteinander nicht vereinbare „Realitäten“ gegenüber. Diese Gegenüberstellung führt seiner Meinung nach zu einem „explosiven Zusammenschluss“ (Vgl. S. 320).

Am Ende des ersten Textauszuges betont Hebdige, dass besonders der „Punk-Stil“ als Beispiel für eine „subkulturelle Anwendung anarchischer Formen“ zu nennen sei. Die Angehörigen der Punk-Szene versuchten bestehende Bedeutungen durch Verwirrungen aufzulösen und neue Bedeutungen zu bilden. Hier findet sich der zuvor genannte „explosive Zusammenschluss“ wieder (Vgl. S. 320).

Der zweite Textauszug wird mit der Überschrift „Stil als bedeutende Praxis“ eingeleitet. Zu Beginn schildert der Autor, dass die traditionelle Zeichentheorie uns nicht dazu befähigt den Stil von Punk-Texten zu verstehen, die von Widersprüchen geprägt sind. Die traditionelle Zeichentheorie geht davon aus, dass sich hinter jedem Zeichen eine Botschaft verbirgt. Das Zeichen besteht aus zwei Teilen. Während der Teil des Zeichens der sinnlich erfasst werden kann als das Bedeutende bezeichnet wird, nennt man den „Teil auf den das Bedeutende hinweist“ das „Bezeichnete“. Aus der Beziehung der beiden Teile ergibt sich die Bedeutung oder die Botschaft des Zeichens. Die Botschaft vermittelt eine „zweifelsfreie Aussage“, da die „Zahl von Bedeutenden“ eindeutig festgelegt ist (Vgl. S. 320f.).

Diese traditionelle Zeichentheorie lässt sich nicht auf die „Punk-Subkultur“ übertragen. Die willkürliche Verwendung der Zeichen sorgt dafür, dass sie keiner eindeutigen Bedeutung zugeordnet werden können. Das von traditionellen Konzepten losgelöste „Polysemie-Konzept“ geht davon aus, dass ein Text „eine unbegrenzte Spannweite von Bedeutungen hervorbringt“. Dies hat dazu geführt, dass Textstellen bei denen „das Prinzip der Bedeutung“ fragwürdig ist, genauer betrachtet werden. Nicht das Endprodukt steht im Fokus des Interesses, sondern der „Prozess der Bedeutungsschaffung“ als solcher (Vgl. S. 321).

Laut der neuen Auffassung handelt es sich bei Sprache um eine „aktive Kraft“, die in ihrer Anpassungsfähigkeit nicht limitiert ist und nie zum Stehen kommt. Sie formt das Subjekt und weist ihm seine jeweilige Stellung zu. Die neuen Zeichentheoretiker sehen in der Herausstellung „der bedeutenden Praxis“ den Sieg „des Bedeutenden über das Bedeutete“ (Vgl. S. 321).

Im nächsten Abschnitt definiert Hebdige den Punkt-Stil, der seiner Meinung nach dadurch gekennzeichnet ist, dass er sich nicht aus „leicht identifizierbaren zentralen Werten“ zusammensetzt. Er zeichnet sich durch Unvollständigkeit aus und seine Hauptcharakteristika sind das Gefühl des „Fehl-am-Platz-sein“ sowie der „Ausdruckslosigkeit“ (Vgl. S. 322).

Die Subkulturen der Skinheads und der Punks unterscheiden sich dahingehend, dass die Skinheads eine „Rückkehr zu einer eingebildeten Vergangenheit“ anstreben, während sich Punks von der „Elternkultur“ entfernen wollen. Punks wollen anders sein und stellen sich dadurch bewusst ins Abseits. Auf der einen Seite verfolgen Punks Rituale, in dem sie zum Beispiel „arbeitermäßig“ aussehen wollen, aber auf der anderen Seite versuchen sie ihrer eigenen Identität zu entfliehen und diese zu verbergen. Eine Möglichkeit seine Herkunft zu verbergen ist es sich ein Pseudonym für seinen eigenen Namen auszudenken (Vgl. S. 322).

Bei dem „Arbeiter-Look“ handelt es sich jedoch nur um eine Idee, die in der Praxis nicht umgesetzt wird. Der Punktstil an sich zeichnet sich sowohl durch sexuelle als auch durch soziale Abweichung aus. Punks beziehen sich laut dem britischen Soziologen zwar auf Realitäten, wie zum Beispiel die Schule oder die Familie, doch sobald ein Punk erstmal in den Punk-Stil eingetaucht ist, nimmt er diese nur noch als störende und vom Chaos geprägte Elemente wahr (Vgl. S. 322).

Ein Punk spiegelt „Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft“, wie zum Beispiel „Entfremdung“ oder „Ungleichheit“ wieder. Dies ist aber nur möglich, weil sich Punks in ihrem Stil zum einen von der „Elternkultur“ und zum anderen von den eigenen Erfahrungen, die sie in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Positionen gemacht haben, entfernen. Die Punk-Szene versucht Widersprüche mit Hilfe „visueller Wortspiele“ sichtbar zu machen. Es gibt zwar „symbolische Objekte“, wie zum Beispiel den Pogo-Tanz, der aus der Gruppe der Punks eine „Einheit“ formt, doch diese „Einheit“ ist durch ihre „Brüchigkeit“ gekennzeichnet (Vgl. S. 323).

Innerhalb der Punk-Szene oder einer Subkultur allgemein muss keine Einigkeit bestehen. So können Punks der ersten Stunde sich ihrem Stil, dem eine Trennung von Erfahrung und Bedeutung zugrunde liegt, stärker bewusst sein als Punks, die erst später hinzugestoßen sind. Des Weiteren kann das Engagement der einzelnen Mitglieder einer Subkultur stark voneinander abweichen. Während für den einen die Angehörigkeit zu einer Subkultur zum Lebensinhalt geworden sein kann, wird es auch andere geben, die in der Subkultur nur eine Ablenkung vom Alltagsleben auf der Arbeit oder in der Familie sehen. Eine Subkultur kann zum einen dazu genutzt werden sich dauerhaft von der Familie und der Gesellschaft zu lösen, kann aber gleichzeitig auch dazu dienen am Wochenende Stress abzubauen und danach ins normale Alltagsleben zurückzukehren. Auch wenn die Mitglieder einer Subkultur unterschiedliche Ziele haben und verfolgen, kann die Gruppe nur dann bestehen, wenn die Mitglieder eine „gemeinsame Sprache“ sprechen (Vgl. S. 323f.).

Die Mitglieder einer Subkultur unterscheiden sich dahingehend, dass sie sich in unterschiedlichem Maße darüber bewusst sind, was ihr eigentlicher Stil eigentlich ausdrückt oder ausdrücken soll und wie er es ausdrückt. Subkulturstile hingegen unterscheiden sich durch voneinander abweichende „Grade von Brüchigkeit“. Dies ist eine Ursache dafür, dass zwischen Angehörigen verschiedener Subkulturen Feindschaften entstanden sind. Des Weiteren stehen unterschiedliche Subkulturen auch für voneinander abweichende Inhalte, wodurch weitere Konflikte zwischen diesen entstanden (Vgl. S. 324f.).

Als Beispiel für Konflikte zwischen verschiedenen Subkulturen führt Hebdige die Streitigkeiten zwischen „Teddy-Boys“ und „Punks“ auf. Die beiden Subkulturen unterschieden sich nicht nur von der favorisierten Musik Richtung oder ihrer Kleidung, sondern auch durch „verschiedene rassische Zugehörigkeitsgefühle“. Beide Stile verachteten, wie der jeweils andere Stil seine Bedeutung mitteilte (Vgl. S. 324f.).

Die Stile der Teddy-Boys und der Punks stellen zwei unterschiedliche „bedeutende Praktiken“ dar. Diese Praktiken unterschieden sich im Grade ihrer Geschlossenheit. Subkulturen unterscheiden sich in ihrem Stil voneinander. So können Subkulturen beispielsweise versuchen eine feste Einheit zu bilden oder auch wie die Subkultur der Punks eine brüchige Zusammensetzung anstreben. Einige Subkulturen verfügen über eine progressive Ausrichtung, während andere Subkulturen eher konservativ ausgerichtet sind. Auch in dem Grad in den Subkulturen in die Gesellschaft integriert sind unterscheiden sich diese stark voneinander. Sie unterscheiden sich nicht nur in den Objekten ihres jeweiligen Subkulturstils, sondern auch in den „bedeutenden Praktiken“ (Vgl. S. 325f.).

Literatur:

Auszug aus Dick Hebdige, >>Subculture – Die Bedeutung von Still<<, in: Diedrich Diederichsen u.a., Schocker. Stile und Moden der Subkultur, Reinbeck: Rohwolt 1983, S. 8-120, hier: S. 94-97 u. 108-113 [Subculture: The Meaning of Style, London, New York: Routledge 2002, S. 102-106 u. S. 117-127; Erstausgabe des Buches London: Methuen 1979]. Aus dem Englischen von Michael Kadereit.

Susan Sontag: Anmerkungen zu >>Camp<< (1964) [Teil 2]

Nachdem in der letzten Woche die Seiten 229 bis 234 aus Susan Sontags Text „Anmerkungen zu >>Camp<<“ zusammengefasst wurden, folgt in dieser Woche die Zusammenfassung der Seiten 235 bis 248 desselben Textes.

Laut der amerikanischen Schriftstellerin Susan Sontag begann die Geschichte des Camps im späten 17. Jahrhundert und frühen 18. Jahrhundert. Diese Zeit gilt auch als die Blütezeit des Camps. Während die Camp-Kunst bis ins 19. Jahrhundert ein weitverbreitetes Gemeingut war, entwickelte sie sich in diesem Jahrhundert zu einer Kunst der Randgruppen. Während der Zeit der „Jugendstilbewegung“ erlebte die Camp-Kunst eine erneute Hochphase (Vgl. S. 235).

Dinge die mit dem Begriff des Camps bezeichnet werden können, können auch andere Eigenschaften und Attribute besitzen. Bilder aus der Jugendstilbewegung können beispielsweise Camp sein, obwohl sie den Inhalt in den Vordergrund stellen. Ein Gegenstand kann gleichzeitig als Gegenstand selbst und Kunstobjekt angesehen werden. Während eine Lampe aus der Jugendstilbewegung sowohl als Lampe mit der Funktion Licht zu erzeugen und einen Raum zu erhellen identifiziert wird, kann diese aber auch als Kunstobjekt angesehen werden. Camp kann sowohl Tätigkeiten als auch Sachen oder Personen beschreiben. In beiden Fällen umfasst Camp eine Doppeldeutigkeit. Hier wird zwischen allgemeiner und persönlicher Wahrnehmung unterschieden (Vgl. S. 235f.).

Susan Sontag behauptet, dass zwischen „naivem und vorsätzlichem Camp“ unterschieden werden muss. Das vorsätzliche Camp ist sich dessen bewusst, dass es Camp ist und das „reine Camp“ ist immer naiv. Bei der Erzeugung eines reinen Camps verfolgen die Urheber nicht die Absicht ein Camp zu erzeugen. Die Betrachtung eines Werkes soll es dem Betrachter ermöglichen zu erkennen, ob es sich bei diesem um ein reines oder vorsätzliches Camp handelt (Vgl. S. 236f.).

Wenn ein Werk mit der Intension ein Camp-Kunstwerk zu schaffen erzeugt wird, dann wirkt sich dieser Vorsatz immer zum Nachteil des Kunstwerkes aus. Filme die ohne den Vorsatz einen Camp Film zu schaffen gedreht wurden, sind besser als vorsätzlich gedrehte Camp-Filme. Gelungene Camp Filme zeichnen sich durch ein „ausgewogenes Verhältnis von Parodie und Selbstparodie“ aus (Vgl. S. 237).

Camp beruht auf Naivität, untergräbt diese aber auch zugleich. Während ein Objekt entweder Camp ist oder nicht, kann eine Person dahingehend beeinflusst werden sich campy zu verhalten, ohne sich dessen bewusst zu sein (Vgl. S. 237f.)

Sowohl beim reinen als auch beim naiven Camp steht eine Ernsthaftigkeit im Vordergrund, die ihren eigentlichen Zweck verfehlt. Ein Camp muss über die richtige Mischung von Naivität, Phantastik, Übertreibung und Leidenschaftlichkeit verfügen. Im Gegensatz zum Camp steckt in Schlechtem zu wenig Ehrgeiz (Vgl. S. 238).

In der Camp-Kunst steckt der Hang zur „Extravaganz“ und des Übermaßes. Das Übermaß eines Kunstwerkes zeigt sich in dessen Stil und dem Ehrgeiz des Künstlers der dahintersteht. Obwohl die Camp-Kunst an sich selbst den Anspruch stellt eine gewisse Ernsthaftigkeit auszudrücken, kann sie aufgrund des Hangs zum Übermaß nicht ernst genommen werden (Vgl. S. 238f.).

Ein Camp-Kunstwerk muss leidenschaftlich und darf nicht perfekt sein. Camp umschreibt den Versuch etwas Außergewöhnliches zu tun. Das Außergewöhnliche wird durch das Berückende oder Individuelle ausgedrückt. Erst wenn etwas theatralisch oder berückend ist, bzw. über eine gewisse Extravaganz verfügt, kann es als Camp bezeichnet werden. Filme die Menschen als schlecht oder lächerlich wahrnehmen, werden als Camp angesehen. Die Phantasie der Camp-Filme ist von einer bescheidenen und vulgären Art gekennzeichnet (Vgl. S. 239f.).

Gegenstände und Kunstwerke die früher einmal als Camp angesehen wurden, müssen aus heutiger Perspektive nicht mehr Camp sein. Während sich für einen Gegenstand früher die Gesamtheit interessiert hat, kann derselbe Gegenstand heute nur noch eine kleine Gruppe ansprechen. Auch Dinge und Gegenstände die zuerst nur Randgruppen angesprochen haben, können ins Interesse der Gesamtheit rücken. Alter eines Gegenstandes ist kein Kriterium des Camps, sondern das nachlassende Interesse an diesem (Vgl. S. 240).

Unter Camp wird „die Verherrlichung des Charakters“ verstanden. Während der „momentane Charakter“ als Camp wahrgenommen wird, entspricht die „Entwicklung des Charakters“ nicht den Idealen des Camps. Entwicklungen des Charakters führen dazu, dass die Elemente des Camps zurücktreten (Vgl. S. 241).

Susan Sontag zufolge untereilt der Camp-Geschmack nicht in gute oder schlechte Kunst. Vielmehr handelt es sich um einen neuen Bewertungsansatz der Kunst, der neue bzw. ergänzende Normen bietet (Vgl. S. 241).

Der Betrachter eines Kunstwerkes setzt die Absicht und die Ausführung des Künstlers miteinander in Verbindung. Werden die Absichten als erfolgreich ausgeführt angesehen, dann wird ein Kunstwerk als gelungen wahrgenommen (S. 241f.).

Laut Susan Sontag gibt es verschiedene schöpferische Erlebnisweisen. Neben der tragischen und komischen Ernsthaftigkeit „der hohen Kultur und des hohen Stils der Bewertung von Menschen“, gibt es auch eine Ernsthaftigkeit, die von Wahnsinn, Qual und Grausamkeit gekennzeichnet ist. Bei Camp-Kunst wird die Abweichung des Resultats von der ursprünglichen Intension akzeptiert. Dies widerspricht der Auffassung, dass ein Kunstwerk dann besonders gelungen ist, wenn die Absichten des Künstlers erfolgreich ausgeführt wurden. Die Normen der Camp-Kunst weichen deutlich von den Normen der traditionellen Kunst ab. Ein Camp-Kunstwerk zeichnet sich nicht durch Perfektion, sondern dadurch aus, dass es „eine neue gültige Erlebnisweise aufzeigt“ (Vgl. S. 242).

Susan Sontag unterscheidet drei verschiedene Erlebnisweisen. Die erste Erlebnisweise bezeichnet sie als Erlebnisweise der hohen Kultur. Die zweite Erlebnisweise ist die der extremen Gefühlslagen und die dritte Erlebnisweise ist die des Camps. Die erste Erlebnisweise ist eng mit dem Begriff der Moral verknüpft, während die zweite Erlebnisweise aus den Spannungen, die zwischen der moralischen und ästhetischen Leidenschaft herrschen, entsteht. Besonders in „weiten Kreisen der zeitgenössischen Avantgarde“ ist die Erlebnisweise der extremen Gefühlslagen weit verbreitet. Beim Camp steht die Ästhetik im Mittelpunkt. Hinter dem Begriff des Camps verbirgt sich eine „ästhetische Erfahrung der Welt“. Sie stellt den Stil eines Gegenstandes über dessen Inhalt. Darüber hinaus wird die Ästhetik gegenüber der Moral und die Ironie gegenüber der Tragödie in den Vordergrund gerückt (Vgl. S. 242f.).

Nach Auffassung der amerikanischen Schriftstellerin stehen Camp und Tragödie in einem Gegensatz zueinander. Während sich im Camp Elemente wiederfinden lassen, die der Ernsthaftigkeit oder dem Pathos zugeordnet werden können, stellt das Tragische niemals einen Teil des Camps dar (Vgl. S. 243).

Ein Buch kann nur dann als Camp-Buch bezeichnet werden, wenn seine Schreibweise nicht zu perfekt oder ernst ist. Wenn darüber geurteilt wird, ob ein Kunstwerk Camp ist oder nicht, steht der Aspekt des Stils immer im Vordergrund. In seinem eigenen Stil hat jeder Künstler individuelle Möglichkeiten seine Ideen auszudrücken (Vgl. S.243).

Das Camp richtet sein Hauptaugenmerk nicht auf den Ernst des Lebens. Es unterscheidet sich von der Ernsthaftigkeit durch seine anti-seriöse und spielerische Art. Menschen die Kunstwerke nur nach ihrer Ernsthaftigkeit bewerten, wissen die Camp-Kunst nicht zu schätzen (Vgl. S. 243).

Früher konnten sich Menschen mit Hilfe von Satire und Ironie über den Ernst des Lebens hinwegsetzen. Aus heutiger Perspektive sind diese Möglichkeiten so gut wie erschöpft und nicht mehr zeitgemäß genug. Aus diesem Grund hat sich das Camp selbst als Regel gesetzt, dass das Kunstmäßige und Theatralische als neue Ideale angestrebt werden sollen. Kunstmäßigkeit und Theatralik sollen dabei helfen, sich über den Ernst hinwegzusetzen (Vgl. S. 243f.).

Auch wenn es das Camp erlaubt, die Welt aus einer „komischen Sicht“ heraus zu betrachten, so unterscheidet es sich trotzdem von der bitteren Komödie, die immer mit einer gewissen Gleichgültigkeit einhergeht. Gleichgültigkeit ist nur der Elite der Gesellschaft freigestellt. Für Susan Sontag stellt das Camp in der heutigen Zeit den „modernen Dandyismus“ dar. Sie sieht im Camp die Antwort auf die Frage, wie Menschen die im heutigen Zeitalter leben, das von Massenkultur bestimmt wird, ein moderner Dandy sein können. Im 19. Jahrhundert nahm der Dandy eine Haltung „der Verachtung oder der Langeweile“ ein. Sein Interesse richtete sich auf Gegenstände, die nicht dem Geschmack der Masse entsprachen, bzw. der Masse nicht zugänglich waren. Hierzu zählten unter anderem „seltene Weine“ oder „Samtjacken“. Der Blick „der Kenner des Camps“ hingegen richtete sich auch auf die Künste der Massen. Das Camp unterscheidet bei der Betrachtung und Bewertung von Gegenständen nicht ob diese einzigartig oder nur Massengut sind. In der Camp-Kunst haben alle Objekte den gleichen Wert. Ein Tisch ist nicht mehr wert als ein Stuhl und umgekehrt. Liebhaber des Camps schätzen das Vulgäre, für das der Dandy des 19. Jahrhunderts nur Verachtung übrig hatte.  Zu allem was den Dandy entweder gelangweilt oder abgestoßen hatte, fühlt sich der Liebhaber des Camps hingezogen und kann diese Dinge mit Freude genießen (Vgl. S. 244f.).

Ziel des Camps ist es die Entstehung von Langeweile zu vermeiden. Camp und Langweile stehen in einem Verhältnis der „Wechselbeziehung“ zueinander. Laut Auffassung Susan Sontags ist der Camp-Geschmack vorrangig in reichen Überflussgesellschaften beheimatet. Dies Aussage bezieht sich aber im Wesentlichen auf ein vorrangegangenes Zeitalter der Aristokratie. Da es heute nicht mehr wirkliche Aristokraten gibt, stellt sich die Frage, wer die heutigen Träger des Camp-Geschmacks sind. Die Antwort Sontags auf diese Frage ist, dass es sich um eine unvorbereitet und spontan entstanden Gruppe handelt, die sich selbst zu dieser ernannt hat. Vorrangig besteht sie aus Homosexuellen (Vgl. S. 245).

Der Camp-Geschmack darf nicht mit dem Homosexuellen-Geschmack gleichgesetzt werden, aber beide Geschmäcker stehen in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander, dass sich überlappt und nicht eindeutig voneinander zu trennen ist. Im Kreise Homosexueller findet der Camp-Geschmack seine größten Anhänger und dort ist er am weitesten verbreitet. An dieser Stelle des Textes vergleicht die Autorin das Verhältnis von Juden zum Liberalismus mit dem Verhältnis von Homosexuellen zum Camp-Geschmack. Laut ihrer Meinung stellen beide Gruppen „dominierende schöpferische Minderheiten in der zeitgenössischen urbanen Kultur dar“. Beide Gruppen erzeugen Erlebnisweisen. Die Homosexuellen förderten die Erlebnisweise des Camp-Geschmacks, da sie sich von dieser erhofften, dass sie zu ihrer Integration in die Gesamtgesellschaft führen würde. Das Camp versucht sich von jeder Form der Moral zu lösen und stellt stattdessen das Spielerische in den Vordergrund. Jede von einer Gruppe geschaffene Erlebnisweise sollte stets deren persönlichen Interessen dienen (Vgl. S. 245f.).

Susan Sontag stellt die These auf, dass der Camp-Geschmack auch ohne die Unterstützung der Homosexuellen zustande gekommen wäre. Des Weiteren wiederspricht die Autorin der Auffassung, dass die „Erlebnisweise der hohen Kultur“ einen „Alleinanspruch auf Kultur hat“. Neben einem guten Geschmack, ist es auch wichtig, dass jeder Mensch auch über einen schlechten Geschmack verfügt. Wenn ein Mensch immer nur sein Interesse auf Gegenstände richtet die der hohen Kultur sowie dem guten Geschmack entsprechen, dann werden alle Dinge die nicht diesen Idealen entsprechen außen vorgelassen (Vgl. S. 246f.).

Dem Camp geht es nicht darum Wertungen vorzunehmen und zu verlangen, dass alles was als ernst angesehen wird, auch als geschmacklos bezeichnet werden muss. Vielmehr stellt das Camp eine Form der „Aufgeschlossenheit“ und des Genusses dar. Auch wenn es nach außen oft boshaft und zynisch wirkt, steht nur der Genuss im Vordergrund (Vgl. S. 247).

Der Camp-Geschmack versucht nicht über den Charakter eines Menschen zu urteilen, sondern die Intensität des Charakters zu genießen. Über Camp wird nicht gelacht, sondern es wird genossen. Aus diesem Grund lässt sich im Camp-Geschmack auch eine Form der Liebe zur menschlichen Natur erkennen (Vgl. S. 247f.).

Wenn in einem Gegenstand oder einem individuellen Stil nicht erkennbar ist, dass dort Liebe eingegangen ist, dann können diese nicht als Camp-Kunst bezeichnet werden (Vgl. S. 248).

In ihrer letzten Anmerkung schreibt die amerikanische Schriftstellerin, dass Camp etwas ist das „gut ist, weil es schrecklich ist“. Das dieser Satz keine Allgemeingültigkeit besitzt, hat sie in den 57 vorhergegangen Anmerkungen zu erklären versucht (Vgl. S. 248).

Literatur: 

Reckwitz, Andreas u. Prinz, Sophia u. Schäfer, Hilmar (Hg.): Ästhetik und Gesellschaft. Grundlagentexte aus Sozioologie und Kulturwissenschaft, Berlin 2015, S. 229-248.

Sontag, Susan: „Anmerkungen zu Camp“, in: dies., Kunst und Antikunst. 24 literarische Analysen, Reinbek: Rohwohlt 1968, S. 269-284 [„Notes on Camp, in: dies., Against Interpretation, and other Essays, New York: Anchor Books 1990, S. 275-292; Erstausgabe des Buches New York: Farrar. Straus & Giroux 1966; der Aufsatz erschien erstmals in: The Partisan Review 31 (1964), S. 515-530]. Aus dem Englischen von Mark W. Rien.

Susan Sontag: Anmerkungen zu >>Camp<< (1964) [Teil 1]

Zu Beginn ihres Textes führt die amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag den Begriff des „Camps“ ein. Für sie stellt der Begriff des „Camps“ eine Erlebnisweise dar. Diese Erlebnisweise ist eine Variante des „Intellektualismus“. Laut der Autorin lassen sich Erlebnisweisen nur schwer beschreiben und besprechen. Der Begriff des „Camps“ lässt sich nur unzureichend umschreiben, da ein Camp keine natürliche Weise des Erlebens darstellt. Des Weiterem gehört zu seinem Wesen die Liebe zum Unnatürlichen, d.h. zum Trick und zur Übertreibung. Kleinen urbanen Gruppen dient ein Camp als ein geheimes „Erkennungszeichen“. Anhand des Erkennungszeichens können sich die Gruppenangehörigen gegenseitig als Mitglieder derselben Gruppe identifizieren. Bisher wurden in der Literatur kaum Texte über die Bedeutung des „Camps“ verfasst, da der Begriff sonst seine geheimnisvolle Art verlieren würde. Über Camp zu reden ist nur dann ein gerechtfertigter Verrat, wenn eine Person dadurch eine innerliche Stärkung erreicht oder einen Konflikt mit seiner Erlebnisweise lösen kann. Susan Sontag sieht für sich selbst beide zuvor genannten Kriterien als erfüllt an und begründet auf diese Weise, warum sie ihrer Meinung nach über Camp sprechen darf. Laut ihrer Auffassung ist es für einen Menschen nur dann möglich „eine Erlebnisweise“ zu benennen, wenn er für diese sowohl Sympathie als auch Abscheu empfindet. Wenn jemand ausschließlich Sympathie für eine Erlebnisweise empfindet, ist er nicht in der Lage dazu diese zu analysieren (Vgl. S. 229).

Die meisten Menschen verorten den Geschmack und die Erlebnisweise in „dem Bereich einer rein subjektiven Wahl“. Dies bedeutet, dass sie andere Menschen und Kunstwerke nach ihrem persönlichen Geschmack beurteilen. Entspricht ein Kunstwerk oder ein Mensch nicht dem persönlichen Geschmack, werden diese oftmals herablassend behandelt. „Jede freie menschliche Reaktion“ wird vom eigenen Geschmack bestimmt. Das sich Geschmäcker nur unregelmäßig entwickeln, zeigt sich darin, dass ein Mensch auf der einen Seite über einen guten „visuellen Geschmack“ und auf der anderen Seite über einen schlecht ausgebildeten Geschmack verfügen kann, wenn es darum geht, den Charakter eines Menschen zu beurteilen (Vgl. S. 229f.).

Laut Sontag hat Geschmack kein bestimmtes System, folgt aber einer gewissen Logik. Der Geschmack eines Menschen wird durch „eine gleichbleibende Erlebnisweise“ erzeugt, die diesem auch zugrunde liegt. Erlebnisweisen können zwar beschrieben werden, aber sobald der Versuch unternommen wird eine Erlebnisweise in ein System einzuordnen, löst sich diese auf und wird zu einer „Idee“ (Vgl. S. 230).

Eine Erlebnisweise lässt sich eher in „kurzen Anmerkungen“ als in einer „Abhandlung“ beschreiben. Über Camp kann keine „wissenschaftliche Abhandlung“ verfasst werden, die dieser Erlebnisweise auch gerecht wird (Vgl. S. 230f.)

Im nachfolgenden Text hat Susan Sontag 58 kurze Anmerkungen zum Camp verfasst.

Zu Beginn wird herausgestellt, dass Camp „die Welt als ästhetisches Phänomen“ auffasst. Bei dieser Betrachtungsweise steht nicht die „Schönheit“, sondern der „Grad der Stilisierung“ im Vordergrund. Eine Betonung des Stils geht mit einer Vernachlässigung des Inhalts einher. Beim Camp handelt es sich um eine unpolitische Erlebnisweise.

Susan Sontag führt aus, dass es sich bei Camp sowohl um Eigenschaften einer Sache als auch einer Person handeln kann. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass „nicht alles als Camp betrachtet werden“ kann. Dinge, die als „campy“ bezeichnet werden können, sind beispielsweise „King Kong“, „Bellinis Opern“ oder „Schwanensee“ (Vgl. 231f.).

Der „Camp-Geschmack“ tendiert dazu, bestimmte Kunstauffassungen zu bevorzugen. Bei „Camp-Kunst“ handelt es sich häufig um „dekorative Kunst“, die über Inhalt und Form verfügen muss (Vgl. S. 232).

Susan Sontag stellt heraus, dass „Camp-Kunst“ eine Kunst der Randgruppen ist. Auch unter seriösen Gesichtspunkten als minderwertig deklarierte Kunst kann zu großen Teilen als „Camp-Kunst“ bezeichnet werden. Es bleibt zu betonen, dass das Attribut der Minderwertigkeit nicht Grundvoraussetzung dafür ist, ob etwas als Camp bezeichnet werden kann oder nicht (Vgl. S. 232f.).

Die amerikanische Schriftstellerin betont, dass „Camp-Kunst“ nur ein vom Menschen produziertes künstliches Erzeugnis sein kann. Naturerzeugnisse hingegen können nicht als „campy“ bezeichnet werden.

Bei Camp handelt es sich „um eine Betrachtung der Welt unter dem Gesichtspunkt des Stils“. Vor allem der Jugendstil eignet sich zu einer Betrachtung der Welt (Vgl. S. 233).

Der „Camp-Geschmack“ neigt bei der Beurteilung von Personen zu Extremen. Des Weiteren steht in der „Camp-Kunst“ der „Androgyn“ im Vordergrund. Dies bedeutet, dass sich männliche und weibliche Merkmale in der Kunst zu einem Kunstwerk vereinigen.  Kein Mensch oder Gegenstand kann existieren ohne eine Rolle zu spielen. (Vgl. S. 233f.)

Laut Susan Sontag ist das Camp der Sieg des „epizönischen Stils“. Dies bedeutet das alles austauschbar ist. Darüberhinaus ist es wichtiger danach zu fragen wann etwas Camp ist als warum etwas Camp ist.

Der Ursprung des „Camp-Geschmacks“ liegt im 18. Jahrhundert. Der heutige „Camp-Geschmack“ ist gegen die Natur gerichtet und unterscheidet sich vom „Camp-Geschmack“ des 18. Jahrhunderts, der auf das Behüten der Natur oder deren Umwandlung in etwas Künstliches ausgerichtet war. Eine gewisse Sentimentalität gegenüber der Vergangenheit haben sowohl der heutige als auch der „Camp-Geschmack“ des 18. Jahrhunderts gemeinsam (Vgl. S. 234).

 

Literatur:

Reckwitz, Andreas u. Prinz, Sophia u. Schäfer, Hilmar (Hg.): Ästhetik und Gesellschaft. Grundlagentexte aus Sozioologie und Kulturwissenschaft, Berlin 2015, S. 229-248.

Sontag, Susan: „Anmerkungen zu Camp“, in: dies., Kunst und Antikunst. 24 literarische Analysen, Reinbek: Rohwohlt 1968, S. 269-284 [„Notes on Camp, in: dies., Against Interpretation, and other Essays, New York: Anchor Books 1990, S. 275-292; Erstausgabe des Buches New York: Farrar. Straus & Giroux 1966; der Aufsatz erschien erstmals in: The Partisan Review 31 (1964), S. 515-530]. Aus dem Englischen von Mark W. Rien.

Arthur C. Danto (*1924): „Einführung“

Nachdem in der letzten Woche Auszüge aus Arthur C. Dantos Werk „Die Verklärung des Gewöhnlichen“ zusammengefasst wurden, folgt in dieser Woche eine Zusammenfassung der von Marco Schüller verfassten „Einführung“. Innerhalb der Einführung wird Dantos Verständnis von Ästhetik vorgestellt und auf sein oben genanntes Werk übergeleitet. Sie wurde in Schüllers Anthologie „Texte zur Ästhetik“ abgedruckt.

Zu Beginn des Textes wird eine Ausstellung des amerikanischen Pop-Art-Künstlers Andy Warhol aus dem Jahr 1964 vorgestellt. Dieser hatte in der New Yorker Stable Gallery Topfreiniger-Kartons der amerikanischen Reinigungsmittelfirma Brillo Manufacturing Company ausgestellt. Die Kartons waren in jedem amerikanischen Supermarkt erhältlich und die Präsentation der Kartons durch den Pop-Art-Künstler unterschied sich nicht von der Präsentation der Kisten in einem Supermarkt. Von vielen Besuchern wurden die Brillo-Kisten als Kunst wahrgenommen. Es gab aber auch Leute, die es ablehnten in den Kartons ein Kunstwerk zu sehen (Vgl. S. 210).

Der amerikanische Philosoph Arthur C. Danto stellte sich die Frage, warum die Brillo-Kisten in den Supermärkten nicht als Kunst angesehen wurden, wohingegen viele Menschen in Wahrhols Brillo-Kisten im Museum Kunst sahen. Die Auffassung, dass sich in Warhols Brillo-Kisten in keinem Fall Kunst sehen lässt, führt für Danto dazu, dass vielen Kunstwerken der „zeitgenössischen Kunst“ ihr „Kunst-Sein“ abgesprochen wird. Die Einstellung, dass es sich bei Warhols Brillo-Kisten um Kunst handeln müsse, sorgt hingegen dafür, dass zukünftig alles als Kunst deklariert werden kann (Vgl. S. 210f.).

In seinem im Jahr 1981 veröffentlichten Werk „Die Verklärung des Gewöhnlichen“ versucht Danto einen dritten Kunstbegriff zu finden, der weder die „zeitgenössische Kunst“ eliminiert, noch dafür sorgt, dass alles als Kunst bezeichnet werden kann. Er versucht eine Antwort auf die Frage zu finden, wie gewöhnliche Dinge zu einem Kunstwerk werden können (Vgl. S. 211).

Bei dem Versuch eine Antwort auf die komplexe Frage zu finden, stößt der amerikanische Philosoph auf das Problem, dass es keine eindeutige Antwort darauf gibt, was ein Kunstwerk von einem gewöhnlichen Ding unterscheidet. Die „traditionelle Ästhetik“ vertritt die Auffassung, dass jedes Kunstwerk „eine gelungene Nachahmung von etwas Realem“ ist.  Nicht-gegenständliche Kunst lässt sich für Danto nicht mit Hilfe der Nachahmungstheorie erklären. In diesem Punkt stimmt er mit der Auffassung des amerikanischen Philosophen Nelson Goodman überein. Danto kritisiert sowohl die Nachahmungstheorie als auch den Versuch „die strikte Nachahmungstheorie“ zu überwinden. Er fordert ein Umdenken und eine Neubetrachtung der „Geschichte der Kunst“. Der Philosoph stellte die These auf, dass zwischen einem gewöhnlichen Ding und einem Kunstwerk kein Abbild- oder Ähnlichkeitsverhältnis, sondern ein „mediales Verhältnis“ bestehen würde. Ein Kunstwerk ist „über sein eigenes Über-etwas-Sein“. Es bleibt immer ein künstliches Ding, das sich nicht vollständig auflösen kann. Die „Dinghaftigkeit“ eines Kunstwerkes zeigt sich darin, dass es in erster Linie sich selbst sichtbar macht und nicht die Realität (Vgl. S. 211-213).

Für den Philosophen ist ein Kunstwerk ein Medium, das über sich selbst etwas vermittelt. Das „Medium“ kann als „Glasscheibe“ gesehen werden. Ziel des Künstlers ist es, dass sich das Medium als solches auflöst und der Betrachter eines Bildes zum Beispiel vergisst, dass er gerade ein Bild anschaut. In den Augen Dantos ist jedes Kunstwerk in einer bestimmten Weise „selbstreflexiv“ und hat „sich selbst als Medium der Erkenntnis zum Thema“. Das Medium trennt die „Realität“ von der „Kunst“. Während sich die Brillo-Kartons im Museum auf den Willen zur Sauberkeit beziehen, steht bei den Kartons im Supermarkt der Wille schmutzige Töpfe zu reinigen im Vordergrund (Vgl. S. 213).

Danto ist der Meinung, dass die Geschichte der Kunst an ein Ende gelangt sei (Vgl. S. 213f.).

Literatur: Schüler, Marco: Arthur C. Danto (*1924), in: Schüller, Marco (Hrsg.): Texte zur Ästhetik. Eine kommentierte Anthologie, Darmstadt 2013, S. 210-214.

Arthur C. Danto: Die Verklärung des Gewöhnlichen (1981)

Im nachfolgenden Text werden Auszüge aus Arthur C. Dantos Werk „Die Verklärung des Gewöhnlichen“ zusammengefasst. Die Auszüge wurden dem Kapitel „Kunstwerke und reine Darstellungen“ entnommen.

Im ersten Textauszug möchte Danto den Leser dazu anregen, sich mit dem Motiv zu beschäftigen, dass den amerikanischen Schriftsteller Truman Capote dazu angeregt hat, sein Buch „In Cold Blood“ zu schreiben. Von diesem Werk war im Vorfeld verkündet worden, dass es „der erste nichtfiktionale Roman“ sei. Seine Veröffentlichung widerlegte die weit verbreitete These, dass es sich bei allen Romanen um fiktionale Texte handeln würde. Am Beispiel des von Capote verfassten Romans erklärt Danto, dass Fehler in einem nichtfiktionalen Roman, beispielsweise „historische Unwahrheiten“, diesen nicht automatisch zu einem fiktionalen Werk machen. Gleichzeitig verliert ein fiktionaler Text seinen fiktionalen Charakter nicht dadurch, dass innerhalb des Textes „historische Wahrheiten“ auftreten. Laut dem amerikanischen Philosophen können unterschiedliche Textformen, wie zum Beispiel ein Zeitungsbericht oder der Bericht eines Gerichtsmediziners zwar dieselben Fakten aufweisen, sich aber von der Intension sowie der „Schreibweise“ unterscheiden. Danto stellt sich die Frage, ob ein nichtfiktionaler Roman eine andere Art des Lesens als ein fiktionaler Roman erordert (Vgl. S. 214f.).

Am Beispiel des fiktiven Autors M. zeigt Danto auf, dass ein nichtfiktionaler Text, wie zum Beispiel ein Zeitungsbericht, zu einem Kunstwerk werden kann. Während es sich bei der „Zeitungsgeschichte“ des fiktiven Autors um ein Kunstwerk handelt, stellt die „Zeitungsgeschichte“ eines Kriminalberichterstatters kein Kunstwerk dar. Dies wirft für den Philosophen die Frage auf, was einen Text zu einem Kunstwerk macht (Vgl. S. 215f.).

Während der fiktive Autor die „Form einer Zeitungsgeschichte“ aus einer bestimmten Absicht heraus gewählt hat, entschied sich der Kriminalberichterstatter für diese Form, da er in dieser immer Berichte verfasst. Im Gegensatz zum Autor verfolgt er mit der Textart der „Zeitungsgeschichte“ keine bestimmte Intension. Die „Zeitungsgeschichte“ steht zur literarischen Geschichte in einem Gegensatz, da sie selbst keine Literatur ist. In der „nichtfiktionalen Geschichte“ wurde die Form der „Zeitungsgeschichte“ nur zufällig benutzt. Die Tatsache, dass der Autor die Form einer „Zeitungsgeschichte“ verwendet, welche an sich nicht literarisch ist, macht seine Geschichte nicht automatisch „nichtliterarisch“. Der Autor dürfte sich vor dem Verfassen des Textes überlegt haben, wie er den Ablauf der Geschichte (Amoklauf mit anschließendem Selbstmord) am besten wiedergeben kann. In der heutigen medialen Gesellschaft wird über solche Ereignisse häufig in „Zeitungsgeschichten“ berichtet. Dies ist der Grund, warum sich der fiktive Autor M. für die „Zeitungsgeschichte“ entschieden hat. Für den amerikanischen Philosophen ist das Medium nicht die Botschaft selbst, sondern nur die Art wie die Botschaft übermittelt werden soll. So ist zum Beispiel die „Zeitungsgeschichte“ des fiktiven Autors nur das Medium, das er gewählt hat, um über ein bestimmtes Ereignis zu berichten (Vgl. S. 215f.).

Laut Danto kann jedes Nichtkunstwerk ein Gegenstück besitzen, das ein Kunstwerk darstellt. Seiner Meinung nach präsentiert ein Kunstwerk den Inhalt eines Nichtkunstwerkes.  Eine Kopie eines Kunstwerkes ist kein „eigenständiges Kunstwerk“, da es nur wiedergibt, wie ein Kunstwerk seinen Inhalt darstellt, darüber hinaus aber kein eigenes Ziel verfolgt. Bei Kopien handelt es sich nur um die Abbilder der Originale. Wenn ein Fotograf ein Kunstwerk mit einer bestimmten Intension fotografiert und dessen Inhalt in einer bestimmten Weise darstellt, kann aus der Fotografie ein eigenständiges Kunstwerk entstehen (Vgl. S.216f.).

Der italienische Maler Leonardo da Vinci schlug vor, dass sich der Betrachter eines Bildes, eine Glasscheibe zwischen dem Künstler und dessen Motiv vorstellen soll. Mit Hilfe dieser Vorstellung nimmt der Betrachter des Kunstwerkes nicht nur das Motiv an sich, sondern auch dessen Eigenschaften, die der Künstler sichtbargemacht hat, wahr. Der Künstler verfolgt bei der Nachahmung eines Motives die Absicht, dass der Betrachter seines Kunstwerkes am Ende nicht mehr dazu in der Lage ist, einen Unterschied zwischen den von ihm geschaffenen Werk und dem ursprünglich zugrundeliegenden Motiv zu erkennen. Leonardo da Vincis Theorie setzt „stationäre“ Augen des Betrachters und ein unbewegliches Motiv heraus. Erst mit der Erfindung der „Kinofilmtechnik“ konnten auch bewegliche Motive bildlich dargestellt werden (Vgl. S 217).

Danto widerspricht der Auffassung, dass es sich bei der Nachahmung eines Motives um ein direktes Abbild handeln muss. Seiner Meinung nach malt der Künstler eines Bildes nicht nur das was er sieht, sondern auch, wie er es in seinem Inneren wahrnimmt. Ein Künstler kann dieser Auffassung zufolge das Motiv eines Quadrates durch ein Trapez nachahmen. Das Trapez beinhaltet das Quadrat, geht aber über das ursprüngliche Motiv hinaus. Des Weiteren kann sich die Nachahmung vom ursprünglichen Motiv auch durch eine veränderte Farbgebung unterscheiden. Einer „besonderen Kunstideologie“ zufolge muss das ursprüngliche Motiv immer ein Teil der Nachahmung sein (Vgl. S. 217).

Die Impressionisten wandten sich von vorherigen Kunstideologien ab. Sie forderten eine wirklichkeitsgetreue Abbildung eines Motivs. Nachahmungen durften nicht über die eigentlichen Motive hinausgehen. Auch eine veränderte Farbgebung wurde abgelehnt. Die Kunstauffassung der Impressionisten berücksichtigte nicht, dass Menschen nicht nur das wahrnehmen was sie sehen, sondern auch von ihren Empfindungen beeinflusst werden. Der Tatsache, dass der Mensch im Geiste etwas anders wahrnehmen kann als in der Realität, wurde keine Beachtung geschenkt (Vgl. S.217).

Eine gelungene Illusion zeichnet sich für Danto dadurch aus, dass der Betrachter das Medium als solches nicht wahrnimmt. Beispielsweise soll der Leser eines Buches vergessen, dass er gerade ein Buch liest und sich so fühlen als wäre er selbst Teil der Handlung. Eine Illusion wird in dem Moment aufgelöst, in dem der Betrachter sich des Mediums bewusst wird. Die „Unsichtbarkeit des Mediums“ ist ein Kernelement der „Nachahmungstheorie“. Eine Nachahmung erfüllt das Ziel ihrer Schöpfung dann, wenn der Betrachter nicht erkennen kann, dass es sich um eine Nachahmung handelt (Vgl. S. 218 u. 220).

Wenn Platons Theorie, dass die Nachahmung die Illusion zur Folge hat, als „Kunsttheorie“ aufgefasst wird, führt dies zu einer Reduzierung eines Kunstwerkes auf seinen Inhalt. Alles was über den Inhalt hinausgeht wird entweder unsichtbar oder als überflüssig angesehen. Der amerikanische Philosoph betont, dass anhand des Inhalts nicht zwischen Motiv und Nachahmung differenziert werden kann (Vgl. S. 219).

Laut dem irischen Philosophen George Berkeley besteht der Geist eines Menschen aus Ideen. Inhalt und Idee können nicht getrennt voneinander betrachtet werden, da Ideen ihre Inhalte sind. Es gibt keine Ideen ohne Inhalt. Der Mensch kann nur ein Bewusstsein von Ideen haben. Er kann also nur sehen wovon eine Idee handelt, nicht aber was die Idee ist (Vgl. 219).

Zwischen den Begriffen des Bewusstseins und des Mediums besteht eine Analogie. Sowohl das Bewusstsein als auch das Medium sollen sich bei der Betrachtung eines Kunstwerkes auflösen und zu „Nichts“ werden. Das Medium opfert seine Existenz um den Fokus auf den Inhalt zu legen (Vgl. S. 219f.).

Die Durchsichtigkeit des Bewusstseins und des Mediums wird nicht nur in der Malerei, sondern auch in anderen darstellenden Künsten genutzt, wie z.B. in der Schauspielerei oder der Musik. Der Zuhörer eines Musikstückes soll nur die Musik wahrnehmen und die Musiker, die mit ihren Instrumenten die Musik erzeugen, vergessen. Bei der Kunstgattung der Musik handelt es sich nicht ausschließlich um „eine nachahmende Kunst“. Neben der Malerei, der Schauspielerei und der Musik, versucht auch die Literatur das Medium des Schreibens für den Leser unsichtbar zu machen. Der Leser eines Buches soll Teil der Handlung werden und vergessen, dass er gerade ein Buch liest (Vgl. S. 220).

Danto vertritt die These, dass das Medium die Realität von der Kunst trennt. Die Nachahmungstheorie sollte nicht das Ziel verfolgen ein perfektes Abbild eines Motives zu erschaffen, sondern für die Auflösung des Motives Sorge tragen (Vgl. S. 220f.).

Für den Betrachter eines Kunstwerkes ist es schwer zu entscheiden, ob es sich bei diesem um „ein gutes Abbild eines fremden Dinges oder ein schlechtes Abbild eines vertrauten Dinges“ handelt. Anhand der eigenen Weltauffassung wird darüber geurteilt, ob ein Abbild gelungen ist oder nicht. Alle Abbilder die im Widerspruch zu unserer Weltauffassung stehen, werden automatisch als misslungen wahrgenommen. In der Neuzeit wurde erkannt, dass die Künstler in ihren Werken nicht die Realität nachahmten, sondern bestimmte Aussagen über diese treffen wollten (Vgl. S. 221).

Abweichungen von der Nachahmungstheorie Leonardo da Vincis werden als Ausdruck bezeichnet. Ein Ausdruck führt zu einer Verzerrung des Bildes. Bei den Verzerrungen muss differenziert werden, ob diese unabsichtliche entstanden oder absichtlich herbeigeführt wurden (Vgl. S. 221).

Es gab Zeiten zu denen Unterschiede zwischen dem Kunstwerk und dessen ursprünglichen Motiv aufgrund eines unsichtbaren Vertrages zwischen Künstler und Betrachter akzeptiert wurden. In diesen Verträgen wurde festgelegt, dass „eine bestimmte Darstellung von dem entsprechenden Motiv ununterscheidbar ist“. Zu Zeiten Leonardo da Vincis strebten die Künstler eine perfektionistische Darstellung der Realität an (Vgl. S. 222).

Literatur: Schüler, Marco: Arthur C. Danto (*1924), in: Schüller, Marco (Hrsg.): Texte zur Ästhetik. Eine kommentierte Anthologie, Darmstadt 2013, S. 210-222.

Arthur C. Danto: Die Verklärung des Gewöhnlichen. Eine Philosophie der Kunst, Frankfurt am Main 191, S. 221-225, 229-234 u. 246-249.

Nelson Goodman: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie (²1976)

Im nachfolgenden Text werden Auszüge aus Nelson Goodmans Werk „Sprachen der Kunst“ zusammengefasst. Diese Auszüge entstammen dem Kapitel „Kunst und Verstehen“ und wurden der zweiten Auflage des zuvor genannten Werkes entnommen.

Im ersten Textauszug widerspricht Goodman der traditionellen Auffassung von Ästhetik, bei der die „ästhetische Haltung“ als reines Anschauen ohne Vorverständnis und Vorbelastungen aufgefasst wird. Der Betrachter eines Objektes soll sein Individuum vergessen und mit dem Gegenstand der Anschauung verschmelzen. Da Gegenstände als solche wahrgenommen und nicht interpretiert werden, soll zu einer „reinen Sicht der Welt“ gelangt werden. Der amerikanische Philosoph widerspricht dieser Auffassung und begründet seinen Widerspruch damit, dass zum Beispiel ein Gedicht erst dann als ästhetisch wahrgenommen wird, wenn der Rezipient es auch liest (vgl. S. 201f.). Zu dieser These Goodmans lässt sich jedoch erwähnen, dass es auch Gedichte gibt, bei denen durch reines „Anstarren“ eine ästhetische Erfahrung gemacht werden kann. Beispielsweise kann eine chinesische Kalligrafie von einem Rezipienten als ästhetisch wahrgenommen werden, auch wenn dieser nicht des Chinesischen mächtig ist und die Schriftzeichen somit auch nicht lesen kann.

Neben Gedichten können laut Goodmans Meinung auch Gemälde nicht durch ein bloßes Betrachten als ästhetisch wahrgenommen werden. Ein Gemälde wird genauso wie ein Gedicht erst dann als ästhetisch wahrgenommen, wenn es auch gelesen wird. Eine „ästhetische Erfahrung“ beschreibt der Philosoph als „dynamisch“. Für ihn geht es bei einer „ästhetischen Erfahrung“ „um das Treffen feiner Unterscheidungen und das Entdecken subtiler Beziehungen, das Identifizieren von Symbolsystemen und von Charakteren innerhalb dieser Systeme und das Identifizieren dessen, was diese Charaktere denotieren und exemplifizieren“. Was der Interpret eines Kunstwerkes macht ist für Goodman Neuschöpfung. Diese Neuschöpfung ist aktiv und dynamisch. Die Welt in der wir leben verändert sich dadurch, dass wir Kunstwerke interpretieren (Vgl. S. 202).

Die Ästhetik verfolgt keinen „praktischen Zweck“, wie zum Beispiel „den Erwerb von Lebensnotwendigem“. Eine „nichtpraktische Untersuchung“ muss nicht zwangsläufig ästhetisch sein. Die Wissenschaft muss keine praktischen Zielsetzungen verfolgen, sondern stattdessen die Wahrheit testen und Erkenntnisse ergründen (Vgl. S. 202).

Für den amerikanischen Philosophen ist die Wahrnehmung von Ästhetik nicht klar von anderen Erfahrungen zu trennen. Dies liegt daran, dass „die kognitive Verwendung von Emotionen“ auch in „nichtästhetischen Erfahrungen“ vorkommen kann und nicht automatisch Teil einer „ästhetischen Erfahrung“ sein muss. Nicht jedes Kunstwerk hat einen „emotionalen Gehalt“ und wenn ein Kunstwerk einen „emotionalen Gehalt“ besitzt, kann dieser auch mit „nicht-emotionalen Mitteln“ erfasst werden. Im Alltag werden Dinge hauptsächlich durch Emotionen klassifiziert. Einordnungen und Einteilungen mit Hilfe von anderen Eigenschaften rücken demgegenüber in den Hintergrund.  Goodman betont, dass eine Unterscheidung anhand von Gefühlen auch dann von „Wichtigkeit“ ist, wenn sich dahinter eher eine theoretische als eine praktische Motivation verbirgt. Auch wenn Wissenschaftler aus den verschiedenen Wissenschaftsbereichen bei ihren Untersuchungen ausschließlich theoretische Ziele verfolgen, werden ihre Untersuchungen von Emotionen beeinflusst. In der Wissenschaft wird „Objektivität“ gefordert, also das unvoreingenommen an einen Gegenstand oder eine Untersuchung herangetreten wird. Die „Objektivität“ verbietet es laut Goodman aber nicht, etwas mit Gefühlen zu erkunden und zu entdecken. Der Philosoph hält abschließend fest, dass Emotionen nicht eindeutig von „anderen Erkenntniselementen“ getrennt werden können (S. 202f.).

Da es nicht einfach ist ästhetische und nichtästhetische Erfahrungen voneinander zu trennen, spricht sich Goodman dagegen aus, ausschließlich nach einem unterscheidenden Merkmal zwischen ästhetischem und nichtästhetischen zu suchen. Er schlägt vor die Erfahrungen anhand von Symptomen zu untersuchen. Die von ihm genannten Symptome sind nicht erforderlich für eine „ästhetische Erfahrung“, können aber gemeinsam mit anderen Symptomen in ihr vertreten sein. Drei mögliche „Symptome des Ästhetischen“ sind „syntaktische Dichte“, „semantische Dichte“ und „syntaktische Fülle“. Um die aufgezählten Symptome zu erkennen und zu unterscheiden bedarf es einem „sensiblen Unterscheidungsvermögen“ (Vgl. S. 203).

Die „exemplifikatorische Bezugnahme“ ist für Goodman ein viertes Symptom, um einen Gegenstand auf Ästhetik zu untersuchen. Für ihn ist eine Erfahrung dann „exemplifizierend“, wenn sie Eigenschaften besitzt, die durch Symbole erklärt oder zum Ausdruck gebracht werden. Dem Philosophen zufolge ist „Repräsentation“ selten realitätsnah und ein Teil von „Exemplifikation“. „Ästhetische Erfahrungen“ müssen nicht alle vier Symptome aufweisen (Vgl. 203f.).

Es gilt als wahrscheinlich, dass mindestens ein Symptom in einer „ästhetischen Erfahrung“ zu finden ist. Des Weiteren kann jedes der vier Symptome auch in „nichtästhetischen Erfahrungen“ wiedergefunden werden. Eine „ästhetische Erfahrung“ wird durch das Fehlen eines „ästhetischen Symptoms“ oder dadurch, dass ein „nichtästhetisches Symptom“ vorhanden ist, nicht weniger ästhetisch. Auch wenn eine Erfahrung nur ein Symptom aufweist, ist diese nicht weniger ästhetische, als wenn sie alle vier Symptome aufweisen würde. Goodman vermutet, dass eine Erfahrung ästhetisch sein kann, wenn sie alle vier Symptome aufweist. Als Grundvoraussetzung muss eine Erfahrung, um als ästhetisch gelten zu können, mindestens ein Symptom aufweisen (Vgl. 204).

Während für den amerikanischen Philosophen „Dichte, Fülle und Exemplifikation“ Erkennungsmerkmale für das Ästhetische sind, stellen „Artikuliertheit, Abschwächung und Denotation“ Symptome für das Nichtästhetische dar. Teile des ästhetischen Ganzen können auch nichtästhetisch sein. Auch umgekehrt kann etwas Nichtästhetisches auch ästhetische Abschnitte aufweisen. „Symptome des Ästhetischen“ sagen nichts über den Wert der jeweiligen „ästhetischen Erfahrung“ aus. Weder Schönheit noch die Vorstellung, dass Kunst danach zu beurteilen ist, in welchem Maße sie Befriedigung schenkt, können als Maßstab für den ästhetischen Wert eines Objektes wie zum Beispiel dem eines Bildes dienen (Vgl. S. 204f.).

In seinem Werk „Sprachen der Kunst“ gibt Nelson Goodman drei Theorien über den Nutzen von „Symbolisierung“ wieder. Laut der ersten Theorie zielt „Symbolisierung“ darauf ab, Menschen dazu zu befähigen Techniken und Fähigkeiten zu entwickeln, damit sie auf alle zukünftigen „Eventualitäten“ vorbereitet sind und diese meistern können. Der zweiten Theorie zufolge, symbolisiert der Mensch, weil er Mensch ist. Er symbolisiert aus Spaß und nicht, weil es praktisch notwendig ist. Die dritte Theorie besagt, dass der Mensch „Symbolisierung“ verwendet um zu kommunizieren. Goodman zufolge sind diese drei Theorien nur zum Teil zutreffend. Seiner Auffassung nach nutzt der Mensch „Symbolisierung“ nicht aus einem praktischen Zweck, sondern um Erkenntnis zu erlangen. Eine „Symbolisierung“ soll danach beurteilt werden, in welchem Maße „sie der kognitiven Zielsetzung“ dient (Vgl. S. 205f.).

Gemäß dem amerikanischen Philosophen ist es schwer zwischen etwas „Lobenswertem“ und etwas „Ästhetischem“ zu differenzieren. „Ästhetisches“ muss sich nicht durch „Vortrefflichkeit“ auszeichnen. „Vortrefflichkeit“ wird dann als ästhetisch bezeichnet, wenn sie sich an „ästhetischen Objekten“ zeigt. Das „Kognitive“ schließt Empfindungen nicht aus und ist Teil von Ästhetik. Da Schönheit kein Maßstab für Ästhetik darstellt, können zum Beispiel auch „hässliche“ Bilder ästhetisch sein. Kunst kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten anders wahrgenommen werden und ihren „Reiz verlieren“. Durch das Betrachten eines Kunstwerkes kann ein Mensch zu neuen Erkenntnissen gelangen, wodurch sich sein Weltbild verändert (S. 207f.).

Am Ende des letzten Kapitels seines Werkes hält Goodman fest, dass „Schönheit“ und „Vortrefflichkeit“ nicht als Maßstab für Ästhetik zu sehen sind. Wenn „ästhetische Erfahrung als eine Form des Verstehens“ aufgefasst wird, verliert der „ästhetische Wert“ an Bedeutung und löst sich auf (Vgl. 208f.).

Literatur: Schüler, Marco: Nelson Goodman (1906-1998), in: Schüller, Marco (Hrsg.): Texte zur Ästhetik. Eine kommentierte Anthologie, Darmstadt 2013, S. 201-209.

Nelson Goodman: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie, Frankfurt am Main ²1976, S. 222f, 231-241.