Im nachfolgenden Text werden Textauszüge aus Dick Hebdiges Werk „Subculture – Die Bedeutung von Stil (1979)“ zusammengefasst.
Der erste Textauszug trägt die Überschrift „Stil als Bricolage“ und beginnt mit einer Einführung in den Begriff der „Subkultur“. Laut dem britischen Soziologen Dick Hebdige stammen die meisten Subkulturen aus dem Umfeld der Arbeiterklasse. Alle Subkulturen verbindet eine „auffällige Konsumhaltung“ sowie das strikte Ablehnen „bestimmter Konsumarten“. Jede Subkultur hat bestimmte „Konsumrituale“. Anhand dieser Rituale wird zum einen die verborgene „Identität“ der jeweiligen Subkultur sichtbar gemacht und zum anderen wird deren „verbotene Bedeutung“ herausgestellt. Von strengen und unnachgiebigen „Kulturformen“ unterscheiden sich Subkulturen nach Hebdiges Meinung dadurch, nach welchen Mustern sie „Waren benutzen“ (Vgl. S. 317).
Um die Frage zu klären, wie die verschiedenen Stile der Subkulturen aufgebaut sind, greift Hebdige auf Erkenntnisse aus der Anthropologie zurück. Laut seiner Auffassung eignet sich besonders das vom französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss eingeführte Konzept der „Bricolage“ dazu, den Aufbau der Stile der Subkultur zu erklären. In seinem Werk „Das wilde Denken“ schreibt Lévi-Strauss, dass die von „nicht zivilisierten“ Völkern angewandten „magischen Formen“, zu denen zum Beispiel „Aberglaube“ oder „Hexerei“ zählen, als geheime Systeme betrachtet werden können. Für Außenstehende ist das System der „magischen Formen“ unverständlich, während es die Benutzer dazu befähigt Dinge miteinander in Bezug zu setzen und deren Zusammenhänge zu verstehen. Das System lässt sich beliebig erweitern, da die verschiedenen Elemente aus denen es besteht, auf unterschiedlichste Art miteinander kombiniert werden können. Eine Erweiterung des Systems, kann als Konsequenz mit einer veränderten Bedeutung einhergehen (Vgl. S. 317).
Das Konzept der „Bricolage“ wird auch „als Wissenschaft des Konkreten bezeichnet“. Als „Bricolage“ wird die Art bezeichnet, in der das ungebildete Denken „nicht zivilisierter“ Menschen auf die Umwelt die sie umgibt reagiert. In diesem Prozess wird ein System erstellt, in dem die kleinsten Teilchen „der physischen Welt“ geordnet, eingeteilt und zu Gefügen zusammengestellt werden. Die Antworten auf die Umwelt die infolge der Entstehung des Systems zustande kommen, sind zum einen spontan und zum anderen improvisiert. Um die Welt erklären zu können, versucht der Mensch in diesem Prozess Übereinstimmungen und Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen den Ordnungsweisen der Gesellschaft und der Natur herzustellen (Vgl. S. 317f.).
Wenn von dem Verständnis ausgegangen wird, dass ein Objekt und dessen Bedeutung zusammengenommen ein Zeichen bilden, das in jeder erdenklichen Kultur zu einer „charakteristischen Diskursform zusammengestellt wird“, dann handelt es sich beim Bricoleur um den Erzeuger neuer Diskurse. Der Bricoleur verändert die Position des bezeichneten Objekts innerhalb eines Diskurses oder bringt es in eine veränderte Zusammenstellung. Durch diese Veränderungen entstehen neue Diskurse, in denen andere Botschaften als im Ursprungsdiskurs vermittelt werden (Vgl. S. 318).
Als Beispiele für Bricolage nennt Hebdige die Subkulturen der „Teds“ und der „Mods“. Sowohl die „Teds“ als auch die „Mods“ nutzten das „Gebrauchsgut“ der Mode und setzten Kleidung entgegen ihrer ursprünglich festgelegten Bedeutung ein. Beispielsweise versuchten die „Mods“, die aus unteren Schichten stammten, mit Hilfe der Kleidung ihre eigene soziale Herkunft als unwichtig erscheinen zu lassen. Sie trugen bewusst nicht die Kleidung der eigenen Schicht, sondern die von höher gestellten sozialen Klassen. So trugen die Jugendlichen aus der Arbeiterschicht zum Beispiel Anzüge und Krawatten und sorgten dafür, dass die ursprüngliche Bedeutung dieser Objekte aufgelöst wurde. Ein weiteres Beispiel für die Veränderung der Bedeutung eines Objektes ist der Motorroller. Während der Motorroller ursprünglich ein wertgeschätztes Fortbewegungsmittel war, wurde er von den Widerstandsbewegungen durch Veränderungen an seinem Äußeren zu einem bedrohlichen Objekt verwandelt. Dadurch, dass Objekte zweckentfremdet und ihrer eigentlichen Bedeutung beraubt werden, wird laut dem britischen Soziologen eine Art Krieg entfesselt, selbst wenn dieser nicht bewusst, sondern im Unterbewusstsein herbeigeführt wird. Dieser Krieg wird auch als „Krieg des Surrealismus“ bezeichnet (Vgl. S. 318f.).
Im weiteren Verlauf des Textauszuges bezeichnet Hebdige die „ästhetischen Praktiken“ des Dadaismus und des Surrealismus als „klassische Formen anarchischer Diskurse“, obwohl sich die Begriffe „Diskurs“ und „anarchisch“ von ihrer Bedeutung her ursprünglich wiedersprechen. In der Kunst des Surrealismus soll das „Verbotene“ und „Abnormale“ verherrlicht und der gesunde Menschenverstand sowie Gegensätze und logisch erscheinende Kategorisierungen aufgelöst werden. Die Künstler des Surrealismus verfolgen das Ziel, „eine neue Surrealität“ entstehen zu lassen. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass mehrere Realitäten, die ursprünglich voneinander abgetrennt sind, miteinander in Verbindung gebracht werden. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn sich ein Teller und ein Schuh auf einem Schreibtisch wiederfinden lassen würden. Der Theorie des französischen Schriftstellers André Breton zufolge, müssen entfremdete Objekte einen neuen Namen erhalten, um sie von ihren ursprünglichen Zwecken loslösen zu können. Durch Entfremdung von Objekten werden bewusst Verwirrungen verursacht. Die neu bezeichneten Objekte entstammen zwar „den Objekten unserer Umgebung“, unterscheiden sich von diesen aber durch ihre Rollenveränderung (Vgl. S. 319f.).
Laut der Auffassung des deutschen Malers Max Ernst stellen sowohl der Bricoleur als auch der Macher surrealistischer Collagen zwei miteinander nicht vereinbare „Realitäten“ gegenüber. Diese Gegenüberstellung führt seiner Meinung nach zu einem „explosiven Zusammenschluss“ (Vgl. S. 320).
Am Ende des ersten Textauszuges betont Hebdige, dass besonders der „Punk-Stil“ als Beispiel für eine „subkulturelle Anwendung anarchischer Formen“ zu nennen sei. Die Angehörigen der Punk-Szene versuchten bestehende Bedeutungen durch Verwirrungen aufzulösen und neue Bedeutungen zu bilden. Hier findet sich der zuvor genannte „explosive Zusammenschluss“ wieder (Vgl. S. 320).
Der zweite Textauszug wird mit der Überschrift „Stil als bedeutende Praxis“ eingeleitet. Zu Beginn schildert der Autor, dass die traditionelle Zeichentheorie uns nicht dazu befähigt den Stil von Punk-Texten zu verstehen, die von Widersprüchen geprägt sind. Die traditionelle Zeichentheorie geht davon aus, dass sich hinter jedem Zeichen eine Botschaft verbirgt. Das Zeichen besteht aus zwei Teilen. Während der Teil des Zeichens der sinnlich erfasst werden kann als das Bedeutende bezeichnet wird, nennt man den „Teil auf den das Bedeutende hinweist“ das „Bezeichnete“. Aus der Beziehung der beiden Teile ergibt sich die Bedeutung oder die Botschaft des Zeichens. Die Botschaft vermittelt eine „zweifelsfreie Aussage“, da die „Zahl von Bedeutenden“ eindeutig festgelegt ist (Vgl. S. 320f.).
Diese traditionelle Zeichentheorie lässt sich nicht auf die „Punk-Subkultur“ übertragen. Die willkürliche Verwendung der Zeichen sorgt dafür, dass sie keiner eindeutigen Bedeutung zugeordnet werden können. Das von traditionellen Konzepten losgelöste „Polysemie-Konzept“ geht davon aus, dass ein Text „eine unbegrenzte Spannweite von Bedeutungen hervorbringt“. Dies hat dazu geführt, dass Textstellen bei denen „das Prinzip der Bedeutung“ fragwürdig ist, genauer betrachtet werden. Nicht das Endprodukt steht im Fokus des Interesses, sondern der „Prozess der Bedeutungsschaffung“ als solcher (Vgl. S. 321).
Laut der neuen Auffassung handelt es sich bei Sprache um eine „aktive Kraft“, die in ihrer Anpassungsfähigkeit nicht limitiert ist und nie zum Stehen kommt. Sie formt das Subjekt und weist ihm seine jeweilige Stellung zu. Die neuen Zeichentheoretiker sehen in der Herausstellung „der bedeutenden Praxis“ den Sieg „des Bedeutenden über das Bedeutete“ (Vgl. S. 321).
Im nächsten Abschnitt definiert Hebdige den Punkt-Stil, der seiner Meinung nach dadurch gekennzeichnet ist, dass er sich nicht aus „leicht identifizierbaren zentralen Werten“ zusammensetzt. Er zeichnet sich durch Unvollständigkeit aus und seine Hauptcharakteristika sind das Gefühl des „Fehl-am-Platz-sein“ sowie der „Ausdruckslosigkeit“ (Vgl. S. 322).
Die Subkulturen der Skinheads und der Punks unterscheiden sich dahingehend, dass die Skinheads eine „Rückkehr zu einer eingebildeten Vergangenheit“ anstreben, während sich Punks von der „Elternkultur“ entfernen wollen. Punks wollen anders sein und stellen sich dadurch bewusst ins Abseits. Auf der einen Seite verfolgen Punks Rituale, in dem sie zum Beispiel „arbeitermäßig“ aussehen wollen, aber auf der anderen Seite versuchen sie ihrer eigenen Identität zu entfliehen und diese zu verbergen. Eine Möglichkeit seine Herkunft zu verbergen ist es sich ein Pseudonym für seinen eigenen Namen auszudenken (Vgl. S. 322).
Bei dem „Arbeiter-Look“ handelt es sich jedoch nur um eine Idee, die in der Praxis nicht umgesetzt wird. Der Punktstil an sich zeichnet sich sowohl durch sexuelle als auch durch soziale Abweichung aus. Punks beziehen sich laut dem britischen Soziologen zwar auf Realitäten, wie zum Beispiel die Schule oder die Familie, doch sobald ein Punk erstmal in den Punk-Stil eingetaucht ist, nimmt er diese nur noch als störende und vom Chaos geprägte Elemente wahr (Vgl. S. 322).
Ein Punk spiegelt „Kategorien der bürgerlichen Gesellschaft“, wie zum Beispiel „Entfremdung“ oder „Ungleichheit“ wieder. Dies ist aber nur möglich, weil sich Punks in ihrem Stil zum einen von der „Elternkultur“ und zum anderen von den eigenen Erfahrungen, die sie in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Positionen gemacht haben, entfernen. Die Punk-Szene versucht Widersprüche mit Hilfe „visueller Wortspiele“ sichtbar zu machen. Es gibt zwar „symbolische Objekte“, wie zum Beispiel den Pogo-Tanz, der aus der Gruppe der Punks eine „Einheit“ formt, doch diese „Einheit“ ist durch ihre „Brüchigkeit“ gekennzeichnet (Vgl. S. 323).
Innerhalb der Punk-Szene oder einer Subkultur allgemein muss keine Einigkeit bestehen. So können Punks der ersten Stunde sich ihrem Stil, dem eine Trennung von Erfahrung und Bedeutung zugrunde liegt, stärker bewusst sein als Punks, die erst später hinzugestoßen sind. Des Weiteren kann das Engagement der einzelnen Mitglieder einer Subkultur stark voneinander abweichen. Während für den einen die Angehörigkeit zu einer Subkultur zum Lebensinhalt geworden sein kann, wird es auch andere geben, die in der Subkultur nur eine Ablenkung vom Alltagsleben auf der Arbeit oder in der Familie sehen. Eine Subkultur kann zum einen dazu genutzt werden sich dauerhaft von der Familie und der Gesellschaft zu lösen, kann aber gleichzeitig auch dazu dienen am Wochenende Stress abzubauen und danach ins normale Alltagsleben zurückzukehren. Auch wenn die Mitglieder einer Subkultur unterschiedliche Ziele haben und verfolgen, kann die Gruppe nur dann bestehen, wenn die Mitglieder eine „gemeinsame Sprache“ sprechen (Vgl. S. 323f.).
Die Mitglieder einer Subkultur unterscheiden sich dahingehend, dass sie sich in unterschiedlichem Maße darüber bewusst sind, was ihr eigentlicher Stil eigentlich ausdrückt oder ausdrücken soll und wie er es ausdrückt. Subkulturstile hingegen unterscheiden sich durch voneinander abweichende „Grade von Brüchigkeit“. Dies ist eine Ursache dafür, dass zwischen Angehörigen verschiedener Subkulturen Feindschaften entstanden sind. Des Weiteren stehen unterschiedliche Subkulturen auch für voneinander abweichende Inhalte, wodurch weitere Konflikte zwischen diesen entstanden (Vgl. S. 324f.).
Als Beispiel für Konflikte zwischen verschiedenen Subkulturen führt Hebdige die Streitigkeiten zwischen „Teddy-Boys“ und „Punks“ auf. Die beiden Subkulturen unterschieden sich nicht nur von der favorisierten Musik Richtung oder ihrer Kleidung, sondern auch durch „verschiedene rassische Zugehörigkeitsgefühle“. Beide Stile verachteten, wie der jeweils andere Stil seine Bedeutung mitteilte (Vgl. S. 324f.).
Die Stile der Teddy-Boys und der Punks stellen zwei unterschiedliche „bedeutende Praktiken“ dar. Diese Praktiken unterschieden sich im Grade ihrer Geschlossenheit. Subkulturen unterscheiden sich in ihrem Stil voneinander. So können Subkulturen beispielsweise versuchen eine feste Einheit zu bilden oder auch wie die Subkultur der Punks eine brüchige Zusammensetzung anstreben. Einige Subkulturen verfügen über eine progressive Ausrichtung, während andere Subkulturen eher konservativ ausgerichtet sind. Auch in dem Grad in den Subkulturen in die Gesellschaft integriert sind unterscheiden sich diese stark voneinander. Sie unterscheiden sich nicht nur in den Objekten ihres jeweiligen Subkulturstils, sondern auch in den „bedeutenden Praktiken“ (Vgl. S. 325f.).
Literatur:
Auszug aus Dick Hebdige, >>Subculture – Die Bedeutung von Still<<, in: Diedrich Diederichsen u.a., Schocker. Stile und Moden der Subkultur, Reinbeck: Rohwolt 1983, S. 8-120, hier: S. 94-97 u. 108-113 [Subculture: The Meaning of Style, London, New York: Routledge 2002, S. 102-106 u. S. 117-127; Erstausgabe des Buches London: Methuen 1979]. Aus dem Englischen von Michael Kadereit.